Lesehinweise
Erleidet jeder beschnittene Knabe ein Trauma? Wir wissen es nicht. Die Diskussion darüber aber hatte etwas Obsessives, Voyeuristisches. Nicht nur, was die überbordenden Fantasien der Empörten betrifft. Auch viele, die ihren Respekt vor den Traditionen und Riten anderer Kulturen und Religionen bezeugen wollten, widmeten sich mit Hingabe den blutigen Details. Der Empörung trat die Faszination an die Seite. Es ist, vermute ich, die Faszination für eine Kultur, in der Zu- und Zusammengehörigkeit einen körperlichen Ausdruck haben. Nur wer beschnitten ist, gehört zu uns, heißt es auf jüdischer ebenso wie auf muslimischer Seite. Fehlt ein solches Zeichen der Zugehörigkeit in der hell ausgeleuchteten Moderne? Eines, das durch Schmerz verstärkt worden ist? Das also viel mit dem zu tun hat, was wir zu ächten gelernt haben - mit Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit, mit Gewalt also?
http://www.welt.de/print/welt_kompakt/debatte/article109066001/Von-Gewalt-besessen.html
Allein die Problematisierung von Beschneidung gilt ihnen bereits als Antisemitismus oder Islamophobie oder, wie Jörg Lau konstatiert, als beides zugleich und "ein und dasselbe". Es ist auch die erste Debatte, in der Zaimoglu, Bahners und Broder mit grimmiger Miene Hand in Hand gehen. Viele der Autoren, die eben noch den Islamismus und seine Verharmlosung durch die Toleranzfraktion mit Vernunftargumenten bekämpfen wollten, bescheinigen nun all jenen, die die archaische Sitte der Beschneidung als Körperverletzung sehen, Antisemitismus im Namen eines "Kults der Vernunft". Hannes Stein findet Antisemitismus bei Voltaire und schließt daraus auf achgut.de, dass Aufklärung antisemitisch ist. Matthias Küntzel, der im Perlentaucher ebenfalls schon die bloße Debatte selbst in den Verdacht des Antisemitismus rückt, opfert ihr gewissermaßen die Vernunft selbst: "Vernunft", so schreibt er (und die Anführungszeichen sind von ihm), sei keine ethische Größe an sich. [...] Matthias Küntzel zeigt verdienstvoller Weise, wie eng das Thema der Beschneidung mit antisemitischen Motiven verknüpft ist: Es wäre höchst erstaunlich, wenn es nicht so wäre. Die Reaktionen auf das Thema zeigen, dass es tatsächlich ans Innerste (oder Äußerste?) rührt. Daraus den Schluss zu ziehen, dass schon die Debatte antisemitisch sei, ist eine ebenso polemische Überspitzung wie Hannes Steins Unterstellung über die antisemitische Tendenz jeglicher Vernunftdiskurse – als hätten Religionen hier nicht selbst eine gewisse Tradition! Küntzel weist auch zu Recht darauf hin, dass sich Juden nicht ausgerechnet von Deutschen vorschreiben lassen wollen, wie sie zu leben haben. Aber auch das macht eine Debatte über ein Thema, das auch jüdisch ist, nicht von alleine antisemitisch: Man muss schon übereinander reden können. Das tut zwar manchmal weh, aber es trägt auch zur Klärung von Standpunkten bei. Es ist auch keine "deutsche" Debatte, wie ein rhetorischer Trick weismachen möchte: Sie ist international und wird seit Jahren geführt. Ärzteorganisationen in der ganzen Welt sprechen sich gegen Beschneidung aus.
http://www.perlentaucher.de/blog/276_die_dialektik_der_gegenaufkl%C3%A4rung
Und vielleicht spricht ja auch einiges dafür, sich zunächst dringenderen humanitären Problemen zuzuwenden. Ein Vorschlag zur Güte: Wenn Zwangsverheiratungen, Steinigungen und Mädchenverstümmelungen nachhaltig von dieser Welt getilgt sind, kann man die Zirkumzision gern noch einmal auf Wiedervorlage legen.
http://ralfschuler.wordpress.com/2012/09/10/die-vorhut-fur-die-vorhaut/
Am 9. September wollen jüdische, muslimische und andere Gruppierungen in Berlin gegen das Beschneidungsverbot demonstrieren. Unter dem Slogan „Auf Messers Schneide: Religionsfreiheit„ rufen die Initiatoren auf zu „Toleranz, Weltoffenheit und Gelassenheit gegenüber einer Tradition, die für die jüdische und muslimische Identität essentiell ist.“ Mit „Toleranz und Weltoffenheit“ dürfte es bei einigen Unterstützern der Aktion nicht weit her sein: In der Liste der Unterzeichner findet sich auch eine Tarnorganisation der palästinensischen Hamas.
http://www.ruhrbarone.de/demo-gegen-beschneidungsverbot-die-hamas-marschiert-mit/
Heute fand die erste Demonstration mit folgender Pressekonferenz fuer die Legalisierung von Beschneidungen minderjaehriger Jungen und Maedchen statt. Und zwar in Karlsruhe vor dem Bundesverfassungsgericht. Aufgerufen hatten verschiedene islamische Kleriker (von denen zumindest einer, naemlich der Herr Choudari, so liest man, eine ziemliche Naehe zu Al Qaida pfelgte und sie als “noble Organisation” lobte), um klar zu machen, dass endlich von Menschen erschaffene Gesetze ueberwunden gehoeren und durch’s einzig goettliche Gesetz, die heilige Scharia ersetzt werden muesste.
http://jungle-world.com/jungleblog/1838/
Dass einige politisch-jüdische und rabbinische Repräsentanten den Bogen zum Holocaust schlugen oder mit Auswanderung drohten, war, bezogen auf die bewährte bundesdeutsche Demokratie, substanz- und taktlos. Dass, wie es heißt, "ausgerechnet Deutsche" sich nicht an dieser Debatte beteiligen sollten, vermag ich als jüdischer Deutscher nicht einzusehen. Sind "ausgerechnet deutsche" Demokraten weniger demokratisch als wir Juden, als ich?
Man mag das Kölner Beschneidungsurteil so oder anders bewerten, es wäre gerade für uns Juden eine Gelegenheit gewesen, jüdische Inhalte zu überdenken und, mit neuer innerer Kraft, beizubehalten – oder zu ändern.
http://www.welt.de/debatte/article108845278/Nicht-die-Beschneidung-macht-den-Juden.html
Sharma: Man kann dem Staat aber doch nicht sagen: Dann guck halt weg.
Lagodinsky: Der Staat hat doch jahrelang weggeguckt und keiner hat sich beschwert. Nicht nur das: Die meisten Verfassungsrechtler sagen, im Urteil des Landgerichts Köln wurden Grundrechte nicht richtig gegeneinander abgewogen. Ich bin auch der Meinung, dass bei der Abwägung schlampig gearbeitet wurde.
http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=sw&dig=2012%2F09%2F07%2Fa0098&cHash=e4334bf0c9ddd2552974e6e9714082da
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