von Konservativ (P)
Es gibt, da bin ich mir sicher, einige wenige Konstanten im Universum. Manches bleibt ewig unveränderlich, weil es zur Veränderung weder willens noch fähig ist. Eigentlich kann man für solche Phänomene dankbar sein, denn sie erleichtern uns Menschen die Orientierung: Eben weil man dann stets schon vorher weiß, was passieren wird.
Zu diesen Dingen, die zu den kosmischen Antipoden der Überraschung und des Unerwarteten gezählt werden müssen, gehören die Artikel von Daniel Bax bei der „taz“. Während uns gewöhnlichen Menschen noch die schreckliche Nachricht von ermordeten koptischen Christen in Ägypten im Kopf herumgeht, hat Herr Bax bereits ein viel spannenderes Thema gefunden: die Klärung der mörderischen Frage, ob man das Phänomen, das Millionen Christen auf der Welt Opfer von Diskriminierung, Anfeindung und Gewalt werden, als „Christenverfolgung“ bezeichnen darf oder nicht.
Die Anteilnahme mit den Opfer habe mancherorts einen „falschen Zungenschlag“, schreibt Herr Bax. Bedenklich sei es, wenn der EKD-Vorsitzende Schneider davor warnt, 2011 dürfe kein Jahr der Christenverfolgung werden, findet Herr Bax. Auch dass der Begriff „Christenverfolgung“ in der Berichterstattung aller großen deutschen Zeitungen Verwendung finde, verursacht Herrn Bax Magenkribbeln.
Dabei weiß Herr Bax sogar, dass die Lage der Christen in Ägypten und anderswo „schwierig“ sei, ja „sogar dramatisch“. Dennoch erinnere ihn das Wort „Christenverfolgung“ vor allem an die Vorgänge im Römischen Reich, und diesen Vergleich findet Herr Bax irgendwie schief. Denn wesentliche Unterschiede zwischen der römischen Christenverfolgung und der heutigen Christenverfolgung, die ja keine sein könne, hat Bax schnell erkannt: „Heute bilden Christen schließlich keine kleine Sekte mehr, die um ihr Überleben ringen muss, sondern die größte Religionsgemeinschaft der Welt.“
Die Frage, was es den christlichen Minderheiten im Nahen Osten eigentlich bringt, dass sie durch die große Anzahl von Christen im Rest der Welt Teil der „größten Religionsgemeinschaft“ sind, lässt Bax offen. Man möchte selbst antworten: nichts. Zumindest so lange nichts, bis die in Sicherheit lebenden Christen in Europa und Amerika (oder möglicherweise sogar alle anständigen und engagierten Menschen, ungeachtet ihres Glaubens?) nicht bereit sind, sich für die bedrängten Minderheiten einzusetzen. Gerade das aber lebt Daniel Bax eben nicht vor, wenn er in seiner taz-Redaktionsstube wertvolle Zeit damit vergeudet, bei einem Tässchen Espresso darüber zu sinnieren, ob wegen ihrer Religionszugehörigkeit getötete christliche Menschen nun Opfer einer Christenverfolgung geworden sind oder lediglich antichristlicher Ausschreitungen. Bax’ Fähigkeit zur intellektuellen Differenzierung lässt ihn überdies genau dann im Stich, wenn es um die Khomeini-Wortschöpfung „Islamophobie“ geht.
Kaum ein taz-Artikel kommt bekanntermaßen ohne Bösewicht aus, also auch dieser nicht. Wer wäre wohl für diese Rolle besser geeignet als der Papst? Also schreibt Bax: „Trotzdem verstieg sich Papst Benedikt erst jüngst zu der Behauptung, Christen seien die weltweit derzeit ‚die am meisten wegen ihres Glaubens verfolgte Gruppe’“. Bax vergisst zu erwähnen, dass sich auch noch andere zu dieser Behauptung verstiegen haben: die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte, das Internationale Institut für Religionsfreiheit, Kirche in Not... Aber man weiß ja: Bei der taz-Leserschaft zieht der Papst einfach mehr.
Dankenswerterweise kommt Bax auch bald zu seinem Hauptargument: Man könne nicht von Christenverfolgung reden, weil ja eben nicht nur Christen verfolgt würden: „Drangsaliert werden dort alle, die anders als die Mehrheit oder die herrschende Partei denken und glauben.“ Haben die Nazis dann eigentlich auch keine Judenverfolgung betrieben, weil sie ja auch Sinti und Roma verfolgt haben? Vielleicht lesen wir darüber was in der nächsten Ausgabe der taz.
Am Schluss des Artikels wird deutlich: Das eigentlich Problem sieht Bax in der „Propagandisierung zu politischen Zwecken“. Und die Rivalität zwischen den Religionen würde ja auch dadurch angeheizt, dass Christen „weltweit aktiv für den eigenen Glauben missionieren“. Man merkt also: Bax würde sich besser fühlen, wenn das Werben für den eigenen Glauben unterbliebe.
Erst kürzlich sah ich auf dem Marktplatz einer hessischen Kleinstadt einen Stand mit zwei Kopftuch tragenden Frauen. Es lagen Bücher aus, die über den Islam informierten, und es wurde offen für den Beitritt geworben. Ich käme zwar nicht auf die Idee beizutreten, aber zu meinem Freiheitsverständnis gehört es, dass diese beiden Frauen selbstverständlich tun dürfen, was sie dort tun. Wie wir gerade erfahren haben, verhält es sich mit Herrn Bax’ Freiheitsverständnis offenbar anders. Irgendwie schade. |