"Der Islam benachteiligt Frauen" - ein Vorurteil?
von Thomas Baader
Die FAZ kommentiert eine Umfrage des Instituts Allenbach, aus der hervorgeht, dass der Islam in Deutschland einen schlechten Ruf genießt.
Eine aufklärerische Herangehensweise an diesen Befund kann nur bedeuten, dass man differenziert verschiedenen Fragen nachgeht: Bei wem genau genießt der Islam einen schlechten Ruf? Der Islam oder die Muslime? Was sind die vorgebrachten Begründungen? Besteht der schlechte Ruf einer religiösen oder auch nicht-religiösen Lehre, was bestimmte einzelne Aspekte betrifft, zu Recht oder zu Unrecht?
All diesen Fragen nachzugehen, würde allerdings einen größeren Aufwand notwendig machen, als er an dieser Stelle leistbar wäre. Nehmen wir daher nur einen Aspekt nun heraus und betrachten ihn gesondert. In der FAZ heißt es: "83 Prozent meinten daraufhin, der Islam sei von der Benachteiligung der Frau geprägt [...]"
An andere Stelle wurden wir oft mit der Behauptung konfrontiert, dass die Aussage, wonach im Islam die Frau benachteiligt wäre, nur ein Vorurteil sei. Ändern müsse sich also in dieser Hinsicht nicht die islamische Lehre, sondern die von solchen Vorurteilen geprägte Einstellung der Kritiker. So oder so ähnlich lautet die Argumentationsweise von islamischen Verbandsfunktionären, aber auch diverser muslimischer wie nicht-muslimischer politischer und akademischer Akteure, teils aus dem konservativen, vor allem aber aus dem linken Lager.
Das überrascht, da vor allem das linke politische Spektrum etwa dem Katholizismus oftmals eine Benachteiligung von Frauen vorwirft. Festgemacht wird dies unter anderem an einer restriktiven Haltung zu Schwangerschaftsabbrüchen und der Tatsache, dass der Katholizismus keine weiblichen Kleriker kennt.
Die beiden genannten Punkte treffen allerdings auch auf den Islam, zumindest auf den Mehrheits-Islam zu (die zahlenmäßig kaum ins Gewicht fallenden progressiven Verbände und Gemeinden können für diese Betrachtung außer Acht gelassen werden). Wenn also wegen dieser Aspekte der Katholizismus vielen Linken als frauenfeindlich gilt, warum dann nicht der Islam?
Die Antwort ist einfach: Weil die als exotisch wahrgenommene Religion in diesen Kreisen zur Idealisierung und Romantisierung reizt. Damit überwinden aber dieser Teil der Linken nicht Stereotypisierungen und Klischees, wie man sie im rechtsextremen Spektrum vorfindet, sondern setzt sie unter umgekehrten Vorzeichen fort. Im Zuge dieses Prozesses idealisiert man auch sich selbst: Man kann dann vor sich selbst als tolerant, kultursensibel und verständnisvoll gelten. Diese Selbstbeweihräucherung betreibt man allerdings auf Kosten der muslimischen Frauen.
Solange die DITIB dem Mann eine führende Rolle in der Familie zuschreibt, solange auf islam.de zu lesen ist, dass man bei Ehebruch die Aussagen von vier männlichen Zeugen benötigt, solange nach fast einhelliger Auffassung der Rechtsgelehrten ein männlicher Muslim eine Nichtmuslima heiraten darf, aber nicht umgekehrt - solange hat sich der Islam den Umstand, dass er als überwiegend fraunfeindlich wahrgenommen wird, selbst zuzuschreiben.
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