Eine Richtigstellung: Antwort auf Todenhöfers Halbwahrheiten und Fehlinformationen
von Thomas Baader
1. „Die Taliban haben weniger afghanische Zivilisten getötet, als die Nato.“
Laut einem UN-Report aus dem Jahr 2009 gehen 76% der in Afghanistan getöteten Zivilisten auf das Konto der Taliban. Im übrigen gibt es nichts, was die Annahme rechtfertigen könnte, die Taliban würden nach einem von Todenhöfer geforderten Truppenabzug mit der Terrorisierung der eigenen Bevölkerung aufhören. Im Gegenteil, ein Abzug der Truppen würde die Taliban endlich in die Lage versetzen, alte Rechnungen zu begleichen. Die Anzahl der durch Taliban getöteten Zivilisten würde steigen und nicht sinken.
2. „Die Afghanen werden die Taliban auch in Zukunft als Widerstandskämpfer unterstützen, weil sie die USA aus ihrem Land vertreiben wollen.“
Hier stellt Todenhöfer die Lage in Afghanistan grob vereinfacht und somit letztlich falsch dar. In der Provinz Bamyan beispielsweise erfahren die Taliban keine nennenswerte Unterstützung durch die Bevölkerung. Auch darf man wohl getrost die Tatsache, dass in den Städten immer mehr afghanische Eltern ihre Töchter in die Schule schicken, als eine deutliche Absage an die Lehren der Taliban interpretieren. Letztlich aber ist selbst für die Regionen, in den die Taliban in der Bevölkerung große Sympathien genießen, darauf zu verweisen, dass die Nationalsozialisten natürlich ebenfalls auf eine große Unterstützung der deutschen Bevölkerung zurückgreifen konnten. Es war trotzdem richtig, die Deutschen von diesem verbrecherischen Regime, das viele von ihnen leider bejahten, zu befreien. Selbiges gilt für Afghanistan und die Taliban.
3. „Der Westen behauptet, dass er Afghanistan gerade wieder aufbaue. Die Realität ist, dass Afghanistan das ärmste Land Asiens ist.“
Die Frage ist doch eher, ob Afghanistan vor der Intervention noch ärmer war als jetzt und ein Fortschritt erkennbar ist. Selbst Kriegsgegner Norman Paech schreibt in einem Bericht über seine Informationsreise nach Afghanistan: „Aus allen Gesprächen wird deutlich, dass sich die Lebenssituation der Afghaninnen und Afghanen in manchen Bereichen und Aspekten seit 2001 verbessert hat [...].“
4. „Man könnte mit den Taliban auch eine Einigung darüber erzielen, dass Mädchen wieder zur Schule gehen dürfen. In jenen Gebieten, in denen die Taliban bereits heute herrschen, wird das schon tagtäglich praktiziert, wie selbst die „New York Times“ berichtete.“
Die New York Times berichtete in diesem Zusammenhang über Taliban im pakistanischen Swat-Tal, nicht in Afghanistan! Und selbstverständlich werden auch dort die Mädchen zur Verschleierung gezwungen, und selbstverständlich kommt es auch dort weiterhin zu Grausamkeiten gegen Frauen und Mädchen, die gegen die „Werte“-Vorstellungen der Taliban verstoßen. Hält Herr Todenhöfer diese Zustände allen Ernstes für eine Option? Hätte man den Schwarzen Südafrikas für den Fall, dass eine Apartheid-Regierung ihnen statt so gut wie gar keine Rechten wenigstens ein kleines bisschen an Rechten zugestanden hätte, auch sagen sollen „Seid doch damit zufrieden“? Wer will die Verantwortung für die Ausgepeitschten und Gesteinigten übernehmen? Etwa er, Jürgen Todenhöfer?
Es stellt sich zudem auch die Frage, inwieweit die „Großzügigkeit“ der Taliban im Swat-Tal als reine Propagandaaktion im Sinne von „Der Führer schenkt den Juden eine Stadt“ zu werten ist. Und letztlich gibt es überhaupt keinen Grund zu der Annahme, dass die minimalen Zugeständnisse, zu denen die Taliban in Pakistan bereit sind, von den Taliban in Afghanistan ebenfalls gemacht würden.
5. „Aber die angebliche Aussage, er, Ahmadinedschad, wolle Israel von der Landkarte tilgen, hat er nachweislich nicht gemacht. Das war eine Falschübersetzung. Selbst die Bundeszentrale für politische Bildung und der Intendant des ZDF haben dies ausdrücklich bestätigt.“
Über diese Aussage ist in der Tat viel gestritten worden. An dieser Stelle soll der Streit nicht neu aufgerollt werden, da eine Relevanz dieser Einzelaussage für die Gesamtbeurteilung der Person Ahmadinedschad nicht gegeben ist. Dafür hat der iranische Präsident zu viele Aussagen getätigt, die unumstritten sind und eine klare Sprache sprechen, sodass man sich nicht auf Übersetzungsfehler berufen kann. Im übrigen wäre der Übersetzungsfehler, so er tatsächlich überhaupt einer sein sollte, von den iranischen Staatsmedien und nicht etwa vom „bösen Westen“ verursacht worden. Die Formulierung „wiped of the map“ fand sich dementsprechend auch auf der Homepage des iranischen Präsidenten.
Selbst Katajun Amirpur, eine der prominentesten Vertreterinnen der Falschübersetzungsthese, bekennt in der „Süddeutschen“: „Es bleiben immer noch genug Äußerungen übrig, in denen Ahmadinedschad dumm, unverschämt und rassistisch über Israel spricht.“
Es bleibt daher völlig unverständlich, wie Herr Todenhöfer den iranischen Präsidenten, der mehrfach den Holocaust geleugnet hat und im Jahr 2009 Solidaritätsbekundungen von NPD und DVU erhielt, gegen Antisemitismusvorwürfe in Schutz nehmen kann.
Fazit:
Wer mit so viel Halbwahrheiten und Falschinformationen arbeitet wie Jürgen Todenhöfer, der wird möglicherweise eher von antiamerikanischen, antiisraelischen und antiwestlichen Ressentiments getrieben als von einem echten Interesse am Frieden. Es entsteht der Eindruck, dass Todenhöfer lediglich günstige Gelegenheiten nutzt, um sich an seinen persönlichen Feindbildern abzuarbeiten. Aus der Sicht all jener, die sich engagiert für Menschenrechte einsetzen, ist jedenfalls ein Publizist, der sich auf Kosten der Schwächsten der afghanischen Gesellschaft als Friedensstifter profilieren will, völlig untragbar.
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