Berlin-Wahl: Burkaverbot ist kein Populismus
Von N. Lightenment (P)
Am Donnerstag lief auf dem RBB vor dem Hintergrund der Berlinwahl eine Sendung, die wohl als politische Freakshow angedacht war. Es ging darum, den Vertretern der Kleinparteien die Möglichkeit zu geben, sich vorzustellen (oder darum, sie vorzuführen?). Wahr ist allerdings auch, dass sich einige der Kandidaten tatsächlich als politische Freaks entpuppten. Gleichzeitig erwies sich aber das Publikum als unfähig, dort zu differenzieren, wo es nötig gewesen wäre.
Der NPD-Mann polterte irgendwas von Ausländerrückführung, der Kandidat der DKP verteidigte die Berliner Mauer. Andere, die im Laufe der Sendung zu Wort kamen, erwiesen sich als sehr viel harmloser, gleichzeitig aber auch als wirr, wenn sie beispielsweise nicht zu wissen schienen, was in ihrem eigenen Parteiprogramm stand.
Interessant vor dem Hintergrund der Integrationsdebatte ist der Auftritt des Kandidaten der „Freiheit“, René Stadtkewitz. Die noch junge Partei ist vor allem seit dem gestrigen gemeinsamen Auftritt mit dem umstrittenen niederländischen Politiker Geert Wilders stark in den Medien vertreten und stößt ob ihrer Thesen auf heftige Kritik.
Teilweise ist die Kritik berechtigt. Fragwürdig darf man die Wahl der Verbündeten besagter Partei finden. Der Blog PI „glänzte“ beispielsweise eine Zeit lang mit einer Karikatur, die eine auf Walküre gestylte Frauenfigur Europa zeigte, wie sie einem als Moslem erkennbaren Schwein einen Tritt in den Hintern verpasst und es so aus dem Kontinent, der ihren Namen trägt, hinauswirft. Im Gegensatz zu den Mohammedkarikaturen sind in diesem Fall Rassismusvorwürfe durchaus gerechtfertigt, allerdings sollte man einer neugegründeten Partei auch durchaus Verirrungen zugestehen können (man denke nur daran, dass in den 80ern die jungen Grünen nicht nur RAF-Sympathisanten, sondern auch einen waschechten Altnazi als Abgeordneten aufboten, der sogar in Wahlwerbespots als besorgter Großvater eine tragende Rolle spielen durfte, siehe hier: http://www.youtube.com/watch?v=lQ6jhSQCUQc). Ein Parteifunktionär der „Freiheit“, der in der Öffentlichkeit durch rassistische Statements auffiel, wurde jedenfalls umgehend von seinen Aufgaben entbunden, womit diese Partei immerhin deutlich schneller und konsequenter gehandelt hat als die etablierten Parteien in vergleichbaren Fällen. Dass es in der „Freiheit“ auch Juden und iranstämmige Migranten gibt, ist ebenfalls bekannt. Völlig unvorhersehbar ist hingegen der weitere Weg dieser Partei, der sowohl Radikalisierung als auch Mäßigung lauten könnte. Richtig ist in jedem Fall, dass die „Freiheit“ (im Gegensatz zur Linken) nicht vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Anstoß nimmt man wohl vor allem an der Einladung von Geert Wilders, der allerdings freilich auch schon von Journalisten wie Henryk Broder gegen den Vorwurf des Rechtspopulismus in Schutz genommen wurde.
In der Sendung am Donnertag wurde Stadtkewitz seitens des Moderators mit der Frage konfrontiert, wie populistisch ein Burkaverbot (das man im Parteiprogramm der „Freiheit“ findet) eigentlich sei. Nun darf man berechtigterweise fragen, was an einem Burkaverbot überhaupt populistisch sein könnte, wie es in zwei unserer demokratischen Nachbarstaaten – Frankreich und Belgien – unter großem überparteilichen Konsens beschlossen wurde. Die deutsche SPD äußerte sich dazu übrigens zustimmend (http://www.n-tv.de/politik/Belgien-stimmt-fuer-Burka-Verbot-article3215326.html) und auch aus den Reihen der FDP gab es bereits entsprechende Forderungen (http://www.welt.de/politik/article9101806/FDP-Politiker-verlangt-Burka-Verbot-in-Deutschland.html). Auch Feministinnen (Alice Schwarzer, Necla Kelek, Terre des Femmes) wollen aus guten Gründen die Burka aus der Öffentlichkeit verbannen.
Der Moderator versuchte indes, das Problem kleinzureden. Er begann das Gespräch mit den Worten, er habe in Berlin noch nie eine vollverschleierte Frau gesehen. Nun ist Berlin in der Tat sehr groß und solche persönlichen Erfahrungen sind eben davon abhängig, wo man sich vorzugsweise aufhält. Das es in Berlin eine gewisse Anzahl vollverschleierter Frauen gibt, ist eigentlich unbestritten (RBB, bitte zukünftig mal recherchieren). Nun könnte das allgemein bekannte Argument folgen, dass die Anzahl aber sehr gering ist und das man deshalb kein Aufhebens machen sollte. Hierauf sind zwei Dinge zu erwidern: Erstens ist eine solche Sache stets nach inhaltlichen Gesichtspunkten zu beurteilen und nicht nach der Häufigkeit ihres Auftretens – wenn wir der Ansicht sind, dass die Burka eine Menschenrechtsverletzung darstellt, ist es völlig irrelevant, ob eine Frau oder Tausende die Burka trägt, es müsste in jedem Fall gehandelt werden. Zweitens kann ein Phänomen, das heute nur selten beobachtet wird, in zehn Jahren ganz andere Dimensionen angenommen haben, und daher ist es richtig, frühzeitig und vorbeugend zu handeln.
Eigentlich, so muss man ehrlicherweise sagen, trennte Stadtkewitz in dieser Sendung deutlich zwischen Muslimen und freier Religionsausübung auf der einen Seite und dem Islam als politisches System auf der anderen Seite. Er verurteilte auf Nachfrage die Attentate von Norwegen und sieht ihren Urheber auf demselben Niveau wie islamistische Terroristen. Merkwürdig ist auch, dass Stadtkewitz die Forderung nach einer Kitapflicht für Kinder mit Sprachproblemen vorgeworfen wurde – diese Forderung ist schon seit langem in der Integrationsdebatte im Gespräch, auch außerhalb der „Freiheit“.
Ein offensichtlich muslimischer Jugendlicher aus dem Publikum meldete sich zu Wort: „Es gehört zur Kultur einer Frau, dass sie sich verdeckt im Islam.“ Das ist schon mal für sich genommen eine höchst fragwürdige Äußerung (offenbar ist der junge Mann der Ansicht, eine „gescheite“ Muslimin muss sich geradezu verdecken). Die Frage des Jugendlichen ging nun dahin, wie sich der Parteiname „Freiheit“ damit in Einklang bringen lässt, dass hier die Freiheit der Verschleierten angeblich beschnitten würde. Seltsamerweise erhielt der Fragesteller von dem unkritischen und in dieser Frage wohl auch überwiegend ungebildeten Publikum Applaus. Tatsächlich war es aber anschließend innerhalb des Zeitrahmens der Sendung nicht möglich, „Freiwilligkeit“ zu problematisieren – wie freiwillig ist eine Handlung, in die man „hineinsozialisiert“ wurde? Das Differenzieren lag dem Studiopublikum offensichtlich fern.
Auch das wohl eine Form von Populismus.
Die fraglichen Stellen als Video:
http://www.youtube.com/watch?v=4t_ZROrb8HE
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