Lesehinweise
Er wolle „den wiederholten Aufforderungen von Freunden und Kritikern genügen“, endlich klar Stellung zu beziehen, schreibt Hentig. Dann bezeichnet er den Missbrauch an der Odenwaldschule – der über Jahrzehnte hinweg mutmaßlich mehrere hundert Kinder und Jugendliche betraf – als nicht entschuldbares Verbrechen. Dass diese Übergriffe dem früheren OSO-Leiter Gerold Becker anzulasten seien, „trifft niemanden härter als seinen engsten Freund“, so Hentig. Anschließend bittet er die Opfer, dem inzwischen verstorbenen Becker die Verzeihung zu gewähren, „um die er sie noch lebend gebeten hat“. Er habe Mitgefühl für die Betroffenen und wisse inzwischen selbst, wie es sei, wenn einem nicht geglaubt werde. Aber: „Eine Abkehr von dem toten Freund nützt niemandem und ist von mir nicht zu erwarten.“ Kein Wort verliert Hentig über seine eigenen Äußerungen, nachdem der Missbrauchsskandal öffentlich geworden war. Nichts über seine Einschätzung, Becker sei trotz allem einer der größten Pädagogen der Neuzeit. Nichts über seinen Verdacht, Becker könne allenfalls von Schülern verführt worden sein.
http://www.fr-online.de/missbrauch/odenwaldschule-ein-rettungsversuch-unter-freunden,1477336,11214382.html
Er bitte darum 'im Mitgefühl für die Kränkung, dass man ihnen als Erwachsenen nicht geglaubt hat. Was das bedeutet, habe ich im letzten Jahr gründlich gelernt'. Wieder einmal kann es Hentig nicht lassen, sein eigenes Leiden hervorzuheben und sich selbst als Opfer darzustellen. So hatte er es bereits in einem Zeitschriftenaufsatz getan. In dem jetzt veröffentlichten Text räumt Hentig aber immerhin ein, dass Becker die Verbrechen tatsächlich anzulasten sind. Hentig ergänzt, eine Abkehr von dem toten Freund würde niemandem nutzen und sei nicht von ihm zu erwarten. Das hat auch niemand verlangt. Hat man aber nicht erwarten dürfen, dass Hentig den Opfern mit jener Menschlichkeit begegnet, die er in der Theorie zum Maßstab der Pädagogik erhoben hatte?
http://www.sueddeutsche.de/y5w381/338741/Klaerungsversuch.html
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