von Konservativ (P)
Hans-Ulrich Jörges’ Vorgehensweise ist nicht neu, viele haben’s schon vorgemacht. ZEIT-Feuilletonist Jens Jessen etwa beherrscht es hervorragend, wie man damals sehr gut im hessischen Wahlkampf sehen konnte.
Die Methode: Man sagt oder schreibt etwas an Dummheit kaum zu Überbietendes (Jessen schwadronierte kurz nach einem brutalen Überfall auf einen Rentner in der Münchner U-Bahn darüber, dass es zu viele intolerante Rentner in Deutschland gäbe, und vertauschte somit Täter und Opfer), anschließend erhält man gefühlte zehntausend empörte Emails und Briefe. Davon sucht man sich die 15 Zuschriften aus, die in der Tat von irgendwelchen grenzdebilen Knallköpfen stammen und die die wüstesten Beschimpfungen enthalten. Die präsentiert man nun der Öffentlichkeit, um effektvoll als Opfer dazustehen. Und während man seinen neu gewonnenen Status als armes Hascherl noch genießt, kann man gleichzeitig triumphierend darauf verweisen, dass „die Menschen da draußen“ wirklich alle so verachtenswert sind, wie man es schon immer gewusst hat.
Jörges’ Dummheit ist sicherlich von anderer Art als die Jessens: Jörges’ Dummheit bestand nämlich darin, der an Schulen weit verbreiteten Deutschenfeindlichkeit muslimischer Migranten nicht den Status von Rassismus zukommen lassen zu wollen und die Familienministerin Schröder, die sich mit dem Problem befasst hat und sich erdreistet, eine andere Ansicht als Jörges zu vertreten, in der Manier eines in die Jahre gekommenen Couch-Chauvinisten als „törichtes Mädchen“ abzukanzeln. Welche Minderwertigkeitskomplexe Jörges da in seinem Zwischenruf „Wo der Schweinehund knurrt“ genau ausleben möchte, bleibt im Dunkeln. Jedenfalls scheint er mit einer jungen Frau als Ministerin so seine Probleme zu haben. Hier befindet sich Jörges in guter Gesellschaft mit Co-Sexist Peter Scholl-Latour. Der empfand die Tatsache, dass zu Kristina Schröders Zuständigkeiten auch der Islam gehört, als Zumutung: „Für die [islamischen Völker] ist eine 32 Jahre alte ledige Frau, die in wilder Ehe lebt, wie man früher sagte, inakzeptabel.“ Jammerschade für unseren Scholli und für die Muslime, dass Kristina Schröder kein 32 Jahre alter lediger Mann ist, denn dann wäre ja alles in Butter.
Doch zurück zu Jörges: Beleidigungen wie „deutsche Schlampe“ oder „deutsches Schwein“ haben für den STERN-Journalisten offenbar nichts Rassistisches. Ob er das auch immer noch so sehen würde, wenn man das Wort „deutsch“ in diesen Beschimpfungen austauschen würde gegen „polnisch“ oder „türkisch“? Es darf bezweifelt werden. Jörges befindet sich nämlich längst in Phase 2 der hier beschriebenen Methode: dem Präsentieren bösartiger Leserreaktionen.
Auf einer ganzen Seite des STERN breitet Jörges nämlich nun unter dem Titel „Ihr Applaus, Herr Sarrazin“ genüsslich den Stumpfsinn der deutschen Öffentlichkeit aus. Bloß: Die zahlreichen maßvollen Kritiken, die er wohl ebenfalls erhalten hat (darunter meine eigene) und die an Zahl die Pöbeleien wohl weit übertreffen, bleiben dort unerwähnt (zumindest aber heißt es in einem Antwortschreiben des STERN, das mir vorliegt: „Die Reaktionen aus dem Leserkreis waren überwiegend kritisch und konträr, teilweise mit heftigen Beschimpfungen, aber auch sachlich und argumentativ nachvollziehbar“). Da müsste Jörges sich ja sonst aufs Argumentieren einlassen, was offenbar nicht so seine Sache ist. Abgesehen davon ist die Hälfte der im STERN abgedruckten Zuschriften noch relativ harmlos und eignet sich nur bedingt zur Selbstinszenierung als Opfer. Im übrigen wäre es sehr leicht, einige durchgeknallte Statements von den Antisemiten des „Muslim-Markts“ oder den Deutschlandhassern der Antifa, die sich auf die Sarrazin-Debatte beziehen, unter der Überschrift „Ihr Applaus, Herr Jörges“ zu sammeln. Aber das verkneifen wir uns an dieser Stelle.
Man soll sich ja auch nicht beschweren: Immerhin erhält man vom STERN eine freundliche Antwort-Email für seine Meinungsäußerung. Darin heißt es dann, beim STERN habe man die Zuschrift als „wichtig und informativ“ empfunden (aber leider nicht abgedruckt). Zudem gibt es einen Verweis auf die sehr interessante Leserbriefseite der aktuellen Ausgabe, um dem STERN vielleicht aus seinem Auflagetief zu verhelfen.
Ich muss Sie enttäuschen, liebes STERN-Team. Ich habe mein Geld gespart und Jörges’ neuesten journalistischen Geniestreich lieber auf diversen Internetseiten nachgelesen. Aus der Nummer müssen Sie alleine wieder rauskommen. Denn der Jörges gehört nun mal zu Ihnen wie die Aufklärung zu Deutschland.
Dieser Text wurde am 23. November 2010 in voller Länge auch auf dem Blog "CDU-Politik.de" veröffentlicht:
http://cdu-politik.de.dd14918.kasserver.com/www/cdupolitik/wordpress314/2010/11/23/und-ewig-knurren-die-schweinehunde/ |