von Konservativ (P)
Kürzlich erspähte ich bei einem Spaziergang durch eine Kleinstadt in der Nähe meines Wohnortes ein Plakat, auf dem „Turnen für türkische Frauen“ anbot. Es löste einige Gedankengänge in mir aus.
Inwiefern turnen türkische Frauen eigentlich anders als andere Frauen? Und wie würde die Öffentlichkeit auf ein Plakat reagieren, das für „Turnen für deutsche Frauen“ wirbt? Würde ein solcher Text als diskriminierend und ausgrenzend wahrgenommen? Oder gibt es zumindest vielleicht auch irgendwo „Turnen für polnische Frauen“ oder „Turnen für vietnamesische Frauen“? Nein? Warum dann eigentlich „Turnen für türkische Frauen“?
Es sei den Türkinnen durchaus von Herzen gegönnt, sich turnerisch zu betätigen. Aber wieso wollen sie eigentlich keine Deutschen, Polinnen und Vietnamesinnen dabeihaben? Gibt es, was das Turnen betrifft, tatsächlich unüberbrückbare kulturelle Differenzen?
Irgendwie kam mir das alles so bekannt vor, so als hätte ich über all diese Dinge schon einmal gelesen, bloß in einem anderen Zusammenhang. Und tatsächlich werde ich fündig, als ich meine Ausgabe von Peter Glotz’ „Die Vertreibung“ aus dem Bücherregal nehme. In einem Kapitel befasst sich Glotz mit der „Herstellung des Nationalismus in Böhmen“. Unter der Überschrift „Tschechisch turnen, deutsch turnen“ kann man dort auf Seite 66 lesen:
„Die Erscheinungsformen der nationalen Agitation sind sehr ähnlich, auch wenn sie in unterschiedlichen Gesellschaften, sogar in unterschiedlichen Jahrhunderten ablaufen: Sie benutzen vor allem Symbolismus, Geschichtspolitik, Massenrituale und Abgrenzungsstrategien. […] Man versammelte sich in Tischgesellschaften und Vereinen aller Art, vor allem Gesangs- und Turnvereinen. Was Friedrich Ludwig Jahn, einer der Kapitäne des deutschen Nationalismus, mit seinen Turnvereinen vorgemacht hatte, machten die Tschechen nach. […] Von einem bestimmten Zeitpunkt an konnte man in Böhmen nur noch deutsch oder tschechisch turnen: die Körperkultur als nationalpolitische Äußerung.“
Vor diesem Hintergrund wirkte es eigentümlich beruhigend auf mich, als eine türkische Jugendliche eben jenes Plakat mit „Schwachsinn“ kommentierte. Und dennoch: Wer hat da aus welchen Gründen das Bedürfnis, beim Turnen „unter sich“ zu bleiben? Was hat „Turnen für türkische Frauen“ eigentlich mit Integration zu tun? Blöde Frage. Nichts. |