Peer Steinbrück und der integrationspolitische Amoklauf der SPD
von Thomas Baader
Die SPD geht tatsächlich mit einem Kanzlerkandidaten in den Bundeswahlkampf, der sich für Geschlechtertrennung stark macht. Man sieht: Eine vermeintlich progressive Partei schafft problemlos die Kehrtwende in reaktionäre Niederungen, sofern es sich um ein "Ausländerthema" handelt.
Viele schätzen an Steinbrück, dass er sagt, was der denkt. Tatsächlich ist ein solches Verhalten grundsätzlich begrüßenswert. Von Zeit zu Zeit erschauert man aber vor dem Gedachten, was da so offen zum Ausdruck kommt. Steinbrück also hatte vor kurzem die Öffentlichkeit wissen lassen, dass er es für richtig hält, getrennten Sportunterricht an Schulen zu ermöglichen, wenn muslimische Eltern sich das wünschen. Daraufhin gab es von Union, FDP und Grünen harsche Kritik. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Aydan Özoguz hingegen verteidigt Steinbrück. Heinz Buschkowsky, ebenfalls SPD, will aber dennoch wissen: "Das ist nicht der Stand der SPD." Bedauerlicherweise sehen das zumindest einige führende Sozialdemokraten wohl anders.
Zurückzunehmen hat er nichts, lässt Steinbrück zudem mitteilen. Und: "Viele muslimische Eltern lösen ihr Problem mit dem Sportunterricht so, dass sie ihre Kinder einfach krankmelden. Das kann nicht die Lösung sein." Logische Schlussfolgerung: Getrennten Sportunterricht einfach zulassen. Konsequenterweise sollte die SPD diesen Weg, so er einmal eingeschlagen ist, dann auch fortsetzen. Im einzelnen hieße das:
Eltern, die wollen, dass ihre Tochter nicht auf Klassenfahrt mitfährt, melden das Kind sowieso krank. Also: Nichtteilnahme an Klassenfahrten gestatten.
Eltern, die ihre Tochter genitalverstümmeln wollen, machen das sowieso im Ausland. Also: Genitalverstümmelung auch in Deutschland zulassen.
Eltern, die ihrer Tochter eine Beziehung mit einem Angehörigen einer anderen Volksgruppe untersagen wollen, würden sie bei Zuwiderhandlung sowieso ehrenmorden. Also: den Rassenschandeparagraphen wieder einführen.
Klingt alles merkwürdig, wäre aber nur eine Anwendung des Steinbrück'schen Argumentationsmusters auf wesensverwandte Lebensbereiche. Menschen mit Erfahrungen im Bereich der Integrationsarbeit können sich freilich dieser Tage nur an den Kopf greifen angesichts eines Kanzlerkandidaten, der gezielt auf Stimmenfang geht bei der religiösen Rechten einer bestimmten Einwanderergruppe. Die Frage nach der Wählbarkeit der SPD dürfte sich zumindest für diese Bundestagswahl für jeden humanistisch-liberal gesinnten Menschen somit vollends erledigt haben. Denn Deutschlands älteste Partei lehrt uns gerade: Probleme, vor allem auch Integrationsprobleme, lösen sich von selbst auf, wenn man einfach nachgibt. Ein Problem durch Widerstandslosigkeit zu einem Nicht-Problem zu machen, ist eben doch sehr viel einfacher, als es zu lösen. Einer sozialdemokratischen Partei, die sich auf Drängen ultrareligiöser Hardliner darauf einlässt, Geschlechtertrennung zu praktizieren, muss man die Einführung der Rassentrennung wohl letztlich auch zutrauen. Schließlich geht es um die Integration.
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