Soweit die Theorie. Vor einigen Jahren gab es mal in einem solchen Forum eine Debatte zwischen zwei Nutzern, die ich hier gerne in Auszügen dokumentieren möchte. Nicht, dass diese Debatte irgendetwas Besonderes gewesen wäre. Ich dokumentiere sie, weil sie mittlerweile längst aus dem Forum verschwunden ist (wofür man dem zuständigen Moderator eigentlich schon wieder dankbar sein müsste) und eben gerade weil ich sie nicht für besonders, sondern für eher besonders typisch halte. Gegenstand war der Kulturrelativismus, wobei einer der beiden Gesprächspartner zuvor schon deutlich gemacht hatte, dass Kulturrelativismus für ihn ein positiver Begriff sei.
Die Diskutanten werden im Folgenden anonymisiert, um die Unschuldigen (darunter vor allem auch die Leser) zu schützen.
Eines noch: Einer der beiden Diskussionspartner charakterisierte sich selbst zuvor als progressiv, tolerant, menschenfreundlich, links, egalitär, intellektuell... sprich: als gut!
Nun raten Sie mal, welcher!
Diskussionspartner 1:
Salopp gesagt, ist Kulturrelativismus so eine Einstellung in der Art von: "Ja, ich finde, Menschenrechte sind ne gute Idee… also, nicht gefoltert werden dürfen, nicht gegen seinen Willen verheiratet werden dürfen, gleichberechtigt sein... aber wenn Leute in einer anderen Kultur das nun mal nicht kennen, dann sollten wir das mit den Menschenrechten besser bleiben lassen."
Diskussionspartner 2:
Nein, genau und weniger salopp gesagt ist Kulturrelativismus: "Wir haben in unserem Kulturkreis aufgrund von einschlägigen Erfahrungen Regeln festgelegt, damit Menschen friedlich miteinander auskommen und zufrieden sind. Allerdings sind wir uns darüber hinaus bewußt, dass andere Kulturen eine andere Geschichte und deshalb andere Hintergründe haben und unser Wertesystem vielleicht deshalb dort keinen Bestand und keinen Nutzen hat."
Diskussionspartner 1:
Die Grundidee der Menschenrechte ist es, dass sie universell für jeden Menschen gelten und nicht durch Kultur relativiert werden dürfen. […]
Diskussionspartner 2:
Du hast das Konzept scheinbar nicht verstanden oder interpretierst es absichtlich falsch. Der Kulturrelativismus sagt, dass dass eine Frau im Westen gleichberechtigt in allen Belangen ist, weil es ihr Grundbedürfnis ist und sie diese Gleichberechtigung und Freiheit zum Glücklichsein braucht. Für andere Kulturen kann diese Annahme allerdings nicht als gesichert angenommen werden. Und die Grundidee, dass die Menschenrechte universell gelten ist nicht mehr als eine Annahme.
Diskussionspartner 1:
Du verstehst offenbar nicht. Die Vorstellung, Frauen in anderen Kulturen bräuchten keine Gleichberechtigung und keine Freiheit, ist menschenverachtend und frauenfeindlich.
Diskussionspartner 2:
Aus westlicher Sicht und damit auch aus meiner Sicht unbedingt. Allerdings wage ich mich nicht soweit aus dem Fenster, dass für andere Kulturen zu behaupten.
[…]
Ich trete für Gleichberechtigung ein, jeden Tag lebe ich das vor. Allerdings würde ich nie einem Afghanen oder Chinesen erzählen, dass er an das glauben muss an das ich glaube. Das ist der grundlegende Unterschied zwischen dir und mir. Du lebst in einer Welt von Schwarz und Weiß, ich sehe nur Grautöne.
Diskussionspartner 1:
Falsch. Ich sage einem Afghanen auch nicht, an was er glauben soll. Das ist seine Sache. Wenn der Afghane aber seine elfjährige Tochter an einen Tattergreis verheiraten will, sage ich ihm, dass das falsch ist.
Diskussionspartner 2:
Und biologisch fast ideal.