Ahoi Piratenschwarm
von Philipp (P)
Kennen Sie das? Sie besuchen eine ihrer üblichen Seiten mit Forum oder Kommentarfunktion, äußern sich zu einem aktuellen Thema – und sind auf einmal umgeben von zahlreichen Kommentatoren mit gleicher, aber im Verhältnis zu Ihnen dezidiert anderen Meinung? Und das in einem Forum, das sonst eher ruhig und selten von Konfrontation geprägt war? Diese Erfahrung dürfen gerade immer wieder die Seiten und Seitenbesucher machen, die sich kritisch zu den Piraten äußern wollen. Erst kommt der Artikel, dann die ersten Verlinkungen und dann: der Sturm. Dutzende, manchmal hunderte Beiträge machen Ihnen klar, warum sie und/oder der Autor des Artikels falsch liegen. Ihre Einwände werden – allzu oft sprachlich nicht zimperlich – verhöhnt oder abgetan. Sollten Sie sich darüber aufregen, wird Ihnen mitgeteilt, dass Meinungsfreiheit auf dieser Seite wohl erlaubt sein müsse – sollten sie es wagen, kritisch zu bleiben, hört die Toleranz aber ganz schnell auf. Der Piraten-Schwarm: ein Phänomen.
Es ist das Konzept der lokalen Konzentration: eine im Gesamtvergleich kleine Gruppe kann lokal zur Übermacht werden und so in mehreren aufeinanderfolgenden Treffen einen größeren Gegner schlagen – oder mit einem Treffer an einem neuralgischem Punkt diesen ganz schlagen. Nichts anderes hat schon Friedrich der Große mit seiner schiefen Schlachtordnung gemeint – und bewiesen.
Die Piraten als die Netz-affinste Partei haben in der allgemeinen (Wahl-) Bevölkerung einen Rückhalt von ca 2%. Im Netz sieht dies ganz anders aus: hier werden sie zur ernstzunehmenden Größe, zumal ob des gemeinschaftlichen sich-nicht-vertreten-und-politisch-verstanden-fühlens und der schwammigen inhaltlichen Wünsch-dir-was-Positionen die Kohärenz oftmals sehr hoch ist. Dass die Kritik von außen, auch außerhalb anderer Parteien zunimmt, liegt an den bisher gefassten Beschlüssen, die nach den guten Anfängen mit der Freiheit von staatlichen Eingriffen in das eigene Mediennutzungsverhalten, verstärkte Schulung und Heranführung der Kinder in Schulen an Internet und neue Medien, Open Government in der Verwaltung und der Forderung nach einem gelockerten Umgang mit Computerspielen und neuen IT-Entwicklungen eine ganz andere Richtung nahmen:
Ausdehnung des Wahlrechtes auch auf Nicht-Staatsbürger, ausgedehnte Personenfreizügigkeit für Asylbewerber, uneingeschränkte Arbeitserlaubnisse für Flüchtlinge und Asylsuchende, keine Regelstudienzeit an Hochschulen sondern „freies und kritisches“ Studieren, freie Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und Abschaffung von Schwarzfahrdelikten, individuelle Kennzeichnungspflicht für Polizisten, Ausweitung des Rechts auf Drogenkonsum, usw..
Wie bei vielen Bewegungen im Frühstadium überwiegt hier die Piraten-Solidarität die teils weit auseinanderlaufenden Meinungen. Das ist gut für eine Gruppe, die sich erst noch finden muss und viel bewegen will. Das kann aber im politischen Diskurs auch sehr schlecht sein. Einerseits weil, wie gezeigt, durch lokale Übermachtbildung eine wirklich kritische Diskussion selten Toleranz findet und immer mehr Seiten darauf verzichten, überhaupt Kritik zu üben und weil zweitens auch der Eindruck entsteht, man wäre als Pirat in der Mehrheit. Und das ist, mit Blick auf das ganze Netz, absolut nicht der Fall.
Der wachsende Piratenschwarm ist nicht ohne Einfluss – wozu er diesen aber nutzt, muss hinterfragt werden dürfen.
Dieser Artikel erschien zuerst auf dem Blog "CDU-Politik.de":
http://www.cdu-politik.de/www/cdupolitik/wordpress314/2011/09/16/ahoi-piratenschwarm/#more-12299
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