Fernsehkritik
von Konservativ
SPIEGEL TV ließ in diesem Jahr seinen Jahresrückblick von bekannten Journalisten und Moderatoren kommentieren. Wer sich das angesehen hat, hat seine Zeit wirklich verschwendet – es sei denn, er war (wie ich) auf der Suche nach lohnendem Material für einen Blog-Eintrag.
Von STERN-Redakteur Hans-Ulrich Jörges erfahren wir, dass er angesichts des durch den isländischen Vulkanausbruch verursachten Flugchaos „Schadenfreude“ empfand. Vom Kinohit „Avatar“ hält er nichts und ist sich sicher, dass 3D-Kino keine Zukunft hat – genauso sicher ist er sich auch, dass der nächste Papst nach Ratzinger den Zölibat abschaffen und Frauen als Priester zulassen werde, „um die katholische Kirche zu retten“. Dankbar ist er für die Existenz Mixas, weil durch ihn die Verlogenheit der kahtolischen Kirche sichtbar geworden sei. Jörges gibt schließlich den Amerikanern noch wertvolle Hinweise, wie man die Taliban besiegen kann („nicht in Afghanistan“). Die schönste Stunde im Jahr 2010 war für Jörges die Rede des Bundespräsidenten am 3. Oktober, mit der dieser der „verheerenden Sarrazindebatte“ entgegengetreten sei. Das Outfit von Lady Gaga stört ihn: „Da dreh’ ich weg.“
Erwähnen sollte man auch die fortgesetzte mediale Heiligsprechung von Margot Käßmann
Die Kommentatoren sind sich weitgehend einig: Für ihre Autofahrt im Suff gebührt Käßmann viel, viel Lob – oder galt das Lob doch eher ihrem Verhalten nach der Fahrt? Egal, im Durcheinander des Gesülzes verschwimmt dies alles zu einer undefinierbaren süßlichen Masse. Irgendwie ist das ja alles für Käßmann wirklich „blöd gelaufen“. Wir erfahren weiter: Christine Wesermann fühlte sich beim couragierten Käßmann-Rücktritt auf einmal „stolz, evangelisch zu sein“. Auch Johannes B. Kerner lässt uns an Weisheiten teilhaben: „Betrunken Auto fahren ist schlecht.“ Immerhin.
Der Rückblick auf die Sarrazin-Debatte (durfte natürlich nicht fehlen) gestaltet sich überraschenderweise differenzierter als erwartet: Die Kommentatoren nehmen durchaus unterschiedliche Standpunkte ein. Jörges hantiert natürlich mit Vokabeln wie „schrecklich“ und „schockierend“ und trägt wenig zur inhaltlichen Diskussion bei, Jörg Thadeusz spricht von der „Pöbelkultur“ der Störer bei Sarrazin-Lesungen, und für Georg Mascolo „vergriff sich Sarrazin im Ton“, habe aber „Mut, diese Dinge auszusprechen“. Aufschlussreich hier vor allem die Einspieler: Einer der Anti-Sarrazin-Demonstranten ist überzeugt, hinter dem Nazi-Buch des Bundesbankers steckten „die Reichen“.
Auch Wulffs Rede zum Tag der Deutschen Einheit steht wird noch einmal ausführlich gewürdigt. Christine Wesermanns Antwort auf die Worte des Bundespräsidenten lautet: „Der Islam gehört zur Lebenswirklichkeit von Deutschland, aber nicht zu Deutschland.“ Die restlichen Kommentatoren sind anderer Meinung.
Wertvolle Erkenntnisse, die der Zuschauer außerdem noch gewinnen konnte:
Man erfährt, dass man mit Sandra Bullock kein Mitleid haben brauche, weil ja ganz viele Menschen von Trennung und Enttäuschung betroffen seien.
Es ist westliche Arroganz, wenn man Südafrikanern sagt, dass Vuvuzelas nervtötend sind.
Der Tag der Deutschen Einheit gehört eigentlich am 9. November gefeiert.
Und: „5 Euro mehr ist viel schlimmer als gar keinen Euro mehr“. |