Fernsehkritik
von Konservativ (P)
Ich gestehe: Bei Sendungen von Sandra Maischberger bin ich mittlerweile skeptisch. Nicht, dass ich sie und ihre Arbeit nicht schätzen würde. Aber wer einmal miterlebt hat, wie Nina Hagen in der Sendung völlig ausflippt, fragt sich schon, warum gerade dieser Gast dann noch ein zweites Mal eingeladen wird (und natürlich auch ein zweites Mal völlig ausflippt). Als weiteren Tiefpunkt kann man zudem die Einladung des radikalen Frauenhassers Pierre Vogel in einer anderen Sendung nennen.
Nun gut, am 12.10.2010 standen weder Nina Hagen noch Pierre Vogel auf der Gästeliste, also konnte man sich die Sendung vielleicht ansehen. Stattdessen gab es…
- die unumgängliche „Ich-trage-Kopftuch-bin-aber-gebildet-und-nicht-unterdrückt-nur-die-Mehrheitsgeschellschaft-diskriminiert-mich“-Frau, die in diesem Fall Zehra Yilmaz hieß (würde sich in Deutschland endlich die Burka mehr durchsetzen, hätte das für die Islamverbände den Vorteil, dass sie zu solchen Sendungen immer dieselbe Frau – oder sogar Piere Vogel – schicken könnten, ohne dass es irgendjemand bemerken würde);
- Neu-Köllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky, der integrationspolitische Realist unter den Sozialdemokraten (der wegen dieser Eigenschaft im Moment auch von der SPD als „guter Sarrazin“ instrumentalisiert wird);
- Güner Balci, die Autorin („Arab Boy“ und „Arab Queen“) und Filmemacherin, die in der letzten Zeit vor allem im Zusammenhang mit „Krieg im Klassenzimmer“ genannt wird;
- Hans-Christian Ströbele von den Grünen, der für die integrationspolitischen Plattitüden von vorgestern zuständig war;
- Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, der die Rolle des Multikulti-Kritikers von der CSU übernahm;
- Alice Schwarzer, die bekannteste deutsche Feministin, der zudem das Verdienst zukommt, auch wirklich Feministin geblieben zu sein.
Wie man bei dieser Gästeliste erwarten durfte, lautete der Titel der Sendung irgendwas mit „Islam“, „Scharia“ und „Schleier“. Egal, die Titel sind sowieso austauschbar. Wichtiger war die Besetzung der Gästeliste, und die versprach an diesem Abend eine interessante Sendung.
Die Eröffnung ging an Alice Schwarzer, die erklärte, dass das „islamisch-islamistische Kopftuch“ erst seit der islamischen Revolution im Iran 1979 aufgetaucht sei, während zuvor türkische Frauen in der Bundesrepublik Kopftücher allenfalls auf dieselbe Art und Weise gebunden hätten wie bayrische Bäuerinnen. Der entscheidende Unterschied sei hier der Gedanke, dass das Zeigen der Haare sündig sei.
Durch das Stichwort „Kopftuch“ ging das Rederecht sofort an Yilmaz; diese erläuterte, das Kopftuch keineswegs schon immer getragen zu haben. Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens sei sie erst beim Marxismus und schließlich bei der Religion gelandet. Auch Ausgrenzungserfahrungen hätten hier eine Rolle gespielt. Kein Mann zwinge sie zum Kopftuch, ihre Mutter hätte sogar versucht, es ihr zu verbieten. Es gehöre Mut zum Tragen des Kopftuchs, findet Zehra Yilmaz – und übergeht damit völlig, dass das Tragen des Kopftuchs natürlich auch für das Gegenteil von Mut stehen und Ausdruck eines ausgesprochen duckmäuserischen Konformismus sein kann.
Von Schwarzer wurde ihr entgegnet, dass Yilmaz’ subjektive Motive (Entwurzelung) durchaus ihre Berechtigung haben könnten, jede zweite strenggläubige Muslimin trage aber kein Kopftuch. Yilmaz wies sofort darauf hin, dass jede Frau das selbst entscheiden müsse, auch sie zwinge ihre Töchter nicht dazu.
Nun ließ Sandra Maischberger endlich die dritte Frau der Gästerunde in das Gespräch einsteigen. Güner Balci erklärte, dass sie als Alevitin das Kopftuch niemals getragen habe; Beispiele aus ihren Büchern wie das Abrasieren der Haare von „Kopftuchunwilligen“ seien authentisch. Balci bewertete das Kopftuch klar als Zeichen von Geschlechterapartheid, die Sache mit der „freiwilligen Entscheidung“ sei eben in der Realität nicht so einfach wie oft dargestellt. Viel zu viele würden dazu gezwungen, und diese Frauen hätten keine Lobby und können sich nicht wie Yilmaz in die Öffentlichkeit begeben und ihre persönliche Einstellung zum Kopftuch kundtun.
Schwarzer sekundierte sofort, stimmte im Hinblick auf den Begriff „Geschlechterapartheid“ zu und bezeichnete das Kopftuch als eine „reale Behinderung“. Außerdem beklagte sie die Sexualisierung, die das Kopftuch darstelle und die unzulässig für ein Kind sei. In der Schule solle es für alle die Möglichkeit geben, gleich und frei zu leben, daher befürworte sie ein Kopftuchverbot für Schülerinnen. In diesem Zusammenhang verwies Schwarzer darauf, dass Eltern Geld gegeben werde, damit die Töchter das Kopftuch tragen.
Diese Bemerkung brachte Schwung in die Debatte, denn Yilmaz äußerte, dass sie nun zum ersten Mal höre, dass Kopftuchtragen mit Geld bezahlt werde. Schwarzer zeigte sich ihrerseits verwundert über Yilmaz’ Unkenntnis und erwies sich als hilfsbereit („Ich schicke ihnen morgen die Informationen“). Die hitziger geführte Diskussion brachte Yilmaz dazu, den eigentlichen Grund für das Kopftuch zu nennen: Frauen sollen in der Öffentlichkeit nicht reizvoll erscheinen. Der Zuschauer musste sich an dieser Stelle fragen: Und wieso sind dann angeblich im Islam Männer und Frauen gleich?
Das gab Balci die Gelegenheit, sich wieder in die Diskussion einzuschalten. Derartige Argumentation spreche den Männern ab, dass sie ihre Sexualität unter Kontrolle hätten. Sie beklagte, dass Mädchen, mit denen sie zu tun hätte, im Sommer nicht mal ein T-Shirt tragen dürften, weil Väter und Tugendwächter darauf achteten. Auf weitere Nachfragen von Maischberger verwies Balci auch darauf, dass freier gekleidete Frauen in manchen Stadtvierteln mit erheblichen obszönen Anmachen durch muslimische Männer zu rechnen hätten. Letztlich passten Mädchen sich an, um keine Angriffsfläche mehr zu bieten, gingen beispielsweise nicht mehr ins Schwimmbad.
Yilmaz versuchte an dieser Stelle eine weitere Ehrenrettung des Kopftuchs: Alle Mädchen, die ihr bekannt seien, trügen das Kopftuch, weil sie sich ausgegrenzt fühlten. In Fällen von Zwang würde man zudem auch eingreifen.
Ehe das Gespräch nun völlig in die heile Moscheevereinwelt der Zehra Yilmaz geholt wurde, wurden die drei anwesenden Herren einbezogen. So durfte Ströbele dem Bundespräsidenten zustimmen und sich wünschen, man hätte man schon vor 20 Jahren gesagt, dass der Islam zu Deutschland gehöre. Herrmann hingegen sah die Schuld an mangelnder Integration nicht überwiegend bei der Mehrheitsgesellschaft, er brachte Mesut Özil als Beispiel, der nun für viele Türken als Verräter gelte, weil er für Deutschland spiele.
Darauf überraschte Ströbele alle Anwesenden, als er erklärte, er selbst habe im Zusammenhang mit diesem Fußballspiel Türken in Kreuzberg zum Mitsingen der deutschen Nationalhymne animiert. Schwarzer frohlockte, dass man tatsächlich weiterkomme mit der Integration, weil nun neuerdings Ströbele im Fernsehen sitze und Türken zum Mitsingen der deutschen Nationalhymne auffordere.
Nach diesem Geplänkel kam erstmals Buschkowsky zu Wort, der die Bedeutung seines oft zitierten Satzes „Multikulti ist gescheitert“ erläuterte: Die Gesellschaft müsse bei der Integration stark steuern, was sie bisher versäumt habe. Über einige Umwege landete nun die Debatte wieder beim Kopftuch, dem Schwarzer den Rang eines religiösen Symbols absprach. Für Balci hingegen war die entscheidende Frage, ob Religionsfreiheit über der Menschenwürde und der Gleichheit zwischen Mann und Frau stehe; wie Schwarzer wolle sie das Kopftuch nicht auf der Straße, aber wohl in der Schule für Lehrerinnen und Schülerinnen gleichermaßen verbieten.
Hier wollte Ströbele nicht mehr mitgehen: Es gebe ein Recht auf Selbstbestimmung, wie man sie sich kleide. Auf Balcis konkrete Frage, wie er aber garantieren könne, dass Frauen und Mädchen diese Entscheidung selbst treffen könnten, erwiderte er, das sei in der Tat ein großes Problem (ach was!).
An Buschkowsky richtete Maischberger die Frage, ob bei vielen Muslimen in Neu-Kölln die Scharia mehr gelte als das Grundgesetz, was dieser ohne Einschränkungen bejahte und Ströbele zu dem Einruf veranlasste, dass das bei vielen Christen ja ganz ähnlich sei. Sarkastisch sprach Buschkowsky daraufhin von vierjährigen Mädchen, die „ganz freiwillig“ in mit Kopftuch in den Kindergarten kämen. Schließlich musste Alice Schwarzer noch den Juristen Ströbele belehren, dass für Ausländer in Deutschland die zivilrechtlichen Bestimmungen des Herkunftslandes gelten, was konkret eine Anwendung der Scharia bedeute.
Ströbele war sich dennoch sicher: Die vier Millionen Muslime richten sich überwiegend nach deutschem Recht und nichts anderem. Als er dann auch noch behauptete, es seien ja glücklicherweise keine Konflikte (wie der zwischen Türken und Kurden) nach Deutschland importiert worden, brach Güner Balci in Gelächter aus.
Buschkowsky hielt sich indes nicht weiter mit der Weltfremdheit des grünen Politikers auf und sprach davon, dass der Anteil dieser reaktionären Bevölkerungsgruppen eben keineswegs gering sei. Der Staat weiche beim Prägen und Einfordern von Regeln zurück und mache dadurch diesen Raum frei. All diese Dinge, von denen öffentlich gesagt würde „Da müssen wir entgegentreten“, gingen in Wahrheit Tag für Tag weiter.
Ströbele jedoch ließ sich nicht beirren: Die „schlimmen Sachen“ passierten relativ wenig. Das meiste seien Einzelfälle.
Das war der Moment, in dem Güner Balci der Kragen platzte: Die Grünen sollten damit aufhören, Migranten als Opfer zu stigmatisieren. Und auch Schwarzer forderte Ströbele auf, von dem Kitsch der armen Lehrerin, die so gerne ihr Kopftuch tragen möchte, wegzukommen.
Die anwesende Alibi-Kopftuchträgerin Zehra Yilmaz war offensichtlich längst nicht mehr in der Lage, der Debatte zu folgen: Was sei so gefährlich an einer Frau wie sie – mit Kopftuch?
In solchen Momenten wünscht man sich Nina Hagen zurück. |