Lesehinweis
Man merkt: Klaus Wowereit liebt seine Stadt, und das ziert einen Regierenden Bürgermeister. Zu Recht betont Wowereit auch die gewaltige Integrationsleistung, die Berlin in seiner Geschichte erbracht hat.
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So weit das Positive. Schwerer wirken die Defizite. [...] Die fehlende Rampe für den Rollstuhlfahrer am S-Bahn-Eingang wird damit gleichgesetzt mit der Straßenkriminalität von Roma aus Bulgarien. Beides ist eben ein Integrationsproblem. Das ist, mit Verlaub, großer Kitsch. Wer alles in einen Topf wirft, vernebelt die Probleme und redet der Verharmlosung das Wort.
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Wowereits historische Kenntnisse sind bestenfalls schütter, und das tut dem Buch nicht gut: Blühender Unsinn ist der Satz "Ohne Migration wären moderne Gesellschaften gar nicht vorstellbar" (S. 67): Die europäischen Länder hatten im 19. Jahrhundert, als sie zu Industriemächten heranreiften, keine wesentliche Einwanderung, Deutschland war ein Auswanderungsland. Japans Aufstieg zur Industriemacht war nie von Einwanderung begleitet, dasselbe gilt für das heutige China. Regionale Bewegungen gab es natürlich immer.
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Den Gipfelpunkt seiner historischen Quacksalberei setzt Wowereit mit dem einzigen Satz seines Buches, der sich mit dem Islam auseinandersetzt: "Ja, es gibt extremistische Tendenzen bei Religionen, im Islam ebenso wie bei Protestanten und Katholiken." (S. 158) Wie viele Attentate von Katholiken gab es denn bisher unter der Amtszeit von Papst Benedikt? Und welche extremistischen Tendenzen hat Klaus Wowereit in der Evangelischen Kirche Deutschlands unter dem braven Präses Schneider entdeckt? So schreibt einer, der sich drückt, indem er die Augen fest verschließt. Der Einwanderungsdiskussion, wie sie Klaus Wowereit führt, fehlt schlicht das geistige Niveau. Damit bin ich beim Kerndefizit seiner Betrachtungsweise: Er blendet aus, dass es gruppenbezogene Unterschiede gibt, die der Erklärung bedürfen: Italiener, Spanier, Griechen, Kroaten, ostdeutsche Vietnamesen, die zusammen in weitaus größerer Zahl angeworben worden waren als Türken und Marokkaner, haben heute, soweit sie noch in Deutschland leben, keine nennenswerten Integrationsprobleme. Das gilt ebenso für Russen, Ukrainer und Polen. Die Probleme konzentrieren sich ausschließlich auf Migranten aus der Türkei, dem arabischen Raum sowie auf Sinti und Roma.
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Die regionale Struktur unserer Zuwanderung senkt die durchschnittliche Bildungsleistung in Deutschland. Die USA, Kanada und Australien haben dieses Problem nicht. Dort kommt die Zuwanderung vor allem aus Ostasien. Die Kinder dieser Einwanderer erbringen von Anfang an durchweg bessere Schulleistungen als die einheimische weiße Bevölkerung. Damit steigert Zuwanderung dort die durchschnittliche Bildungsleistung. Die niedrige Bildungsleistung bestimmter Einwanderungsgruppen in Europa ist eben nicht allein ein Sprachproblem, die Ursachen sind offenbar tief in der Herkunftskultur verankert. Auch dies ist ein Aspekt von "Multikulti".
http://www.welt.de/print/wams/vermischtes/article13675864/Das-ist-mit-Verlaub-grosser-Kitsch.html
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