| | | | | DIE MENSCHENRECHTSFUNDAMENTALISTEN | - Weder Populisten noch Verharmloser - |
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Gerichtsbeobachtungen von peri e.V. zum zweiten Prozesstag gegen Fendi Özmen / 30. Januar 2013
Pressemitteilung
Als erster wurde der Polizist vernommen, der seinerzeit Arzus Anzeige aufgenommen hatte. Nach Arzus Angaben sei sie wegen der von Alex geschickten Rosen vom Vater heftig geohrfeigt worden und vom Bruder Osman mit einem Stock von der Stärke eines Nudelholzes verprügelt worden. Sämtliche Familienmitglieder hätten dabei im Wohnzimmer gesessen und zugesehen, offenbar getreu dem Motto: Wenn du eine schlägst, erziehst du viele.
Arzu ging von Tötungsabsichten ihrer Eltern aus
Man habe Arzu mit erheblichem Übel gedroht, so dass sie nicht wagte, das Haus zu verlassen. Es sei offenbar von Lebensbedrohungen auszugehen gewesen. Laut Protokoll hatte Arzu gesagt: „Ich denke, dass sie (die Eltern) mich sogar umbringen werden.“ Wäre Arzu gegangen, wäre man sofort hinter ihr her gewesen. Der Zeuge hatte den Eindruck, dass Arzu viel mehr erlitten hatte, als sie angab, weil sie immer noch in einem gewissen Loyalitätskonflikt gestanden habe; sie habe bei der Schilderung ihres Martyriums eher untertrieben, um [...]
Weiterlesen hier:
http://www.pressrelations.de/new/standard/result_main.cfm?aktion=jour_pm&r=521112
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Gerichtsbeobachtungen von peri e.V. zum ersten Prozesstag gegen Fendi Özmen / 28. Januar 2013
Preseemitteilung
Am 28.1.13 begann der Prozess gegen den Vater von Arzu Özmen, Fendi Özmen. Im Vergleich zum Prozess gegen die fünf Özmen-Geschwister hielt sich das Publikumsinteresse in Grenzen, dafür waren Medien und Presse stark vertreten.
Die Anklagepunkte der Staatsanwaltschaft
Fendi Özmen bekam einen Dolmetscher für die kurdische Sprache zur Seite gestellt. Die Anklage umfasst zwei Punkte: zum einen Körperverletzung, Nötigung und Freiheitsberaubung zulasten von Arzu, zum anderen die Anstiftung, ggfs. auch Beihilfe zur Entführung und Tötung von Arzu.
Die Anklage beschreibt die Taten wie folgt: Arzu wurde wiederholt geschlagen, sowohl vom Vater als auch von Osman, damit sie ihr Handy und die Zugangsdaten zu ihrem Internet-Account herausgab. Weiterhin wurde sie im Haus festgehalten und gezwungen ihre Arbeitsstelle bei der Bäckerei aufzugeben. Nachdem Arzu die Flucht gelungen war und sie die Anzeige gegen Vater und Bruder bei der Polizei erstattet hatte, habe der Vater beschlossen, da alle anderen Maßnahmen nicht geholfen hatten, Arzu zu töten, um seinen Ehrverlust wettzumachen. Am 31.10.11 habe er diesen Beschluss verkündet.
Über seinen Verteidiger gab der Angeklagte eine Erklärung zum 1. Anklagepunkt, der Körperverletzung, ab: Im Sommer 2011 sei der Verdacht entstanden, dass Arzu eine Beziehung zu einem Nicht-Jesiden unterhielt. Er, der Vater, habe dieses Verhalten nicht verstanden, denn eine solche Beziehung widerspräche den Wertvorstellungen der Familie. Er sei aufgebracht gewesen, weil Arzu ihm nicht gehorchen wollte. Er habe Arzu geschlagen, weil diese respektlos aufgetreten sei. Deshalb habe er Arzu auch wiederholt mit einem Stock geschlagen.
Der Angeklagte erklärte, er wisse, dass sein Verhalten nicht richtig war, und es täte ihm leid. Mit der Tötung von Arzu habe er jedoch nichts zu tun. Arzu sei [...]
Weiter lesen hier:
http://www.pressrelations.de/new/standard/dereferrer.cfm?r=520857
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Wie sich das MIGAZIN um eine Antisemitismusdebatte herumdrückt
Keine kritischen Fragen nach der "Islamischen Zeitung" erlaubt
von Thomas Baader
Schützt das MIGAZIN seine Gastautoren im Kommentarbereich vor allzu kritischen Fragen, und zwar besonders dann, wenn sie deren publizistische Tätigkeit in dubiosen Print- und Internetmedien betreffen? Es sieht ganz so. Unbequeme Kommentare werden nicht freigeschaltet. Wie der Autor Tahir Chaudhry zur antisemitischen Vergangenheit der "Islamischen Zeitung" steht, will man uns wohl vorenthalten.
Der Gang der Ereignisse der Reihe nach: Auf der MIGAZIN-Website erscheint ein Bericht von Tahir Chaudhry über eine Lesung von Necla Kelek. Er mag Kelek nicht besonders und gibt schon gleich als Eingangsstatement bekannt, dass er ihre Bücher für "nichts als Zeugnisse hochpauschaler Beschreibungen und scheinbarer Empirie" hält. Nach einer etwas langen Vorrede erfahren wir die Höhe des Eintrittspreises und werden Zeuge der Wiedergabe eines nur mäßig interessanten Wortwechsels zwischen Chaudhry und Kelek.
Das eigentliche Interessante steht jedoch im Kommentarbereich: Ein Leser namens "soli" wundert sich über Chaudhrys Statement, wonach "niemand mit Migrationshintergrund unter den Teinehmern" gewesen sei. "Soli" möchte wissen, woher Chaudhry das weiß. Keine Antwort.
Da ich es aber auch wirklich gerne wissen möchte, schreibe ich folgenden Eintrag in den Kommentarbereich:
"Herr Chaudry, Sie haben sich aber um die Frage eines anderen Kommentatoren herumgedrückt: Wie machen Sie das eigentlich, dass Sie mit einem Blick einem Menschen ansehen können, ob er einen Migrationshintergrund hat oder nicht? Ich kenne beispielsweise sehr viele Türken, die sich phänotypisch in keiner Weise von einem Mitteleuropäer unterscheiden. Ein freundlicher türkischstämmiger älterer Herr in meiner Nachbarschaft würde problemlos als mein Opa durchgehen. Und ich wage mal zu behaupten, dass sich Polen oder Tschechen auch nicht von der alteingesessenen Bevölkerung optisch abheben. Also, verraten Sie uns doch Ihr Geheimnis: Wie machen Sie das?"
Chaudhry räumt ein, dass es Menschen mit Migrationshintergrund gibt, denen man es nicht ansieht, bleibt ansonsten aber etwas diffus und kommt schließlich zu der Aussage: "Die meisten der Anwesenden hatten nie persönlich Kontakte zu Muslimen." Das wiederum reizt mich zu folgendem Eintrag: "Und woher wissen Sie das (ich staune gerade immer mehr)?" Chaudhry antwortet, dass er selbst in dieser Stadt lebe und wisse, dass es da wenig Migranten gebe, folglich gebe es so gut wie keine Berührungspunkte.
Ich schreibe daraufhin folgenden Eintrag, der jedoch vom MIGAZIN nicht freigeschaltet wird:
"Lassen Sie mich zusammenfassen:
- Sie können Migranten mit einem Blick also an ihrem Äußeren erkennen. Auf meine Frage, wie Sie das machen, antworten sie mysteriös 'Sie wissen schon, was ich meine'. Tut mir leid, ich weiß es nicht, und bin so verblüfft wie zuvor.
- Weiterhin behaupten Sie, die Anwesenden würden keine Muslime kennen. Woher Sie das wissen? In dieser Stadt gibt es wenig Migranten. Das erste aus dem zweiten zu schlussfolgern, halte ich wiederum für sehr gewagt. Schließlich leben Sie auch in dieser Stadt, und irgendjemand kennt Sie auch, nicht wahr?
Sehr dubios das Ganze.
Aber lassen Sie mich Ihnen eine andere Frage stellen. Ihrem Blog entnehme ich, dass Sie auch bei der Islamischen Zeitung und Turkish Press veröffentlichen.
Der Gründer und Herausgeber der Islamischen Zeitung, Abu Bakr Rieger, äußerte Anfang der 90er auf einer Veranstaltung öffentlich sein Bedauern darüber, dass die Deutschen die Juden nicht vollständig vernichtet hätten (lesen Sie es nach bei Wikipedia und SPON).
Auf Turkish Press wird regelmäßig der Völkermord an den Armeniern geleugnet und sich auch in anderer Hinsicht äußerst nationalistisch gebärdet. Ein Artikel bezeichnete auch Necla Kelek, Seyran Ates, Güner Balci und Cidgem Toprak in sexistischer Sprache als "Euterclique".
Finden Sie es angesichts dieser Tatsachen tatsächlich unproblematisch, in den genannten Medien zu veröffentlichen?"
Die kritischen Frage wird, wie bereits erwähnt, zensiert. Am nächsten Tag versuche ich es noch einmal, wieder mit demselben Ergebnis. Keine Freischaltung.
Wie muss man das jetzt interpretieren? Hält man beim MIGAZIN die antisemitischen Äußerungen von Abu Bakr Rieger sowie die Völkermordleugnung und sexistische Hetze bei Turkish Press für unproblematisch? Darf man als Leser einem Autor nicht mehr auf den Zahn fühlen, wie er zu seiner publizistischen Tätigkeit in den genannten Medien steht? Ist das alles nur ein dummer Zufall oder sollte es etwa in der MIGAZIN-Redaktion Sympathien für Äußerungen dieser Art geben? Vor allem hinsichtlich der letzten Frage könnten die Verantwortlichen sehr leicht selbst zu Aufklärung beitragen. Bislang tun Sie es nicht und behindern jene, die gerne mehr erfahren würden. Bleiben sie dabei, so denkt sich vermutlich jeder selbst seinen Teil.
Link zum Artikel:
http://www.migazin.de/2013/01/24/eine-lesung-von-necla-kelek/
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Als Max Frisch den Neger dösen sah
- Historische Korrektheit ist wichtiger als politische Korrektheit -
von Thomas Baader
"Neger mit einem Mädchen, sie liegen an der Isar; der Neger döst gelassen vor sich hin, pflanzenhaft, während die kleine Blonde sich über ihn beugt, trunken, als wären vier Wände um sie."
Das hat 1946 Max Frisch geschrieben, als er sich im kriegszerstörten München aufhielt und seine Eindrücke sammelte. Ja, der Max Frisch, der das Stück "Andorra" verfasst hat, das Anderssein und Vorurteile zum Thema hat. In Frischs Beschreibung von München ist übrigens auch noch von einem "Krüppel" die Rede - auch das würde heute von selbsternannten PC-Sheriffs wohl beanstandet werden.
Neu ist die Debatte um die politisch korrekte Bereinigung von Literatur eigentlich nicht. Vom Bannstrahl der Sprachinquisitoren waren bereits schon ganz andere Autoren getroffen worden. Im Jahr 1983 erschien hierzu eine nette kleine Geschichte von Nat Hentoff mit dem Titel "The Day They Came to Arrest the Book". Darin soll es an einer amerikanischen High School Mark Twains "Huckleberry Finn" an den Kragen gehen - was keineswegs rein fiktiv ist. Anstoß erregt hier ein Wort, das noch sehr viel negativer konnotiert ist als "Neger" und ebenfalls zur Bezeichnung von Schwarzen verwendet wird (auf einer englischsprachigen Literaturseite entschuldigt sich übrigens ein Rezensent bezeichnenderweise dafür, dass er gleich das Wort "blacks", als "Schwarze", verwenden wird, das sei nun einmal in den 80ern so üblich gewesen und komme in dem Buch auch vor). Der korrektheitsbesessene Schulleiter Michael Moore - er heißt tatsächlich so - treibt seine Zensur sogar so weit, dass er Seiten aus der Bibel herausreißt.
Solche Michaels Moores melden sich nun auch in der Debatte um die Werke Astrid Lindgrens, Otfried Preußlers und Michael Endes zu Wort. Das Grundproblem dabei ist, dass zu viele ihre Stimme erheben, die zu wenig von Literatur und von der Geschichtlichkeit von Wörtern und Begriffen verstehen. Diesen Mangel an Kompetenz machen sie allerdings mit einem ausgeprägten Kontrollwahn wieder wett. Früher kamen die nach Anstößigem suchenden Schnüffler noch aus dem konservativ-reaktionären Lager, heute stehen sie zwar ganz weit links, sind aber deshalb um keinen Deut weniger besessene Eiferer - ständig betonend, dass es in Deutschland gar keine Political Correctness gäbe, und gleichzeitig schrill ihre Einhaltung einfordernd. Das hat auch Christine Nöstlinger ("Wir pfeifen auf den Gurkenkönig") erkannt:
"Das Fahnden nach politisch Unkorrektem ist sichtlich ein neuer Trend. In den vergangenen Jahrzehnten ging es um: zu viel Erotik, zu viel Aufmüpfigkeit, zu wenig gesittete Ausdrucksweise, zu wenig heile Welt und zu negativ beschriebene Lehrer und Mamas. Jetzt weht der Protestwind halt aus einer anderen Richtung. Aber ob nun Wind von rechts oder links, ganz gleichgültig, das geschieht, weil Kinderbücher nicht als richtige Literatur gelten, sondern als so etwas Ähnliches wie Erziehungspillen, eingewickelt in buntes G’schichterlpapier."
(http://www.zeit.de/2013/05/Kinderbuecher-Sprache-Political-Correctness-Christine-Noestlinger)
Aber dieser Tage schafft die politische Korrektheit es tatsächlich, sich selbst zu karikieren. Nöstlinger sieht sich einem Antisemitismusvorwurf ausgesetzt (ihr Gurkenkönig ist angeblich eine jüdische Gurke voller böser Stereotype) und die Türkische Gemeinde in Österreich geht gegen die Lego-Version des Palastes von Jabba the Hutt auf die Barrikaden (ja, das ist diese sprechende Teigrolle aus den Star Wars-Filmen), weil dieser klischeehaft den orientalischen Terroristen und Sklavenhalter schlechthin verkörpere. Man sieht: Die Satiriker werden dieser Tage arbeitslos, denn die Wirklichkeit können sie einfach nicht mehr überbieten.
Solange uns der Amoklauf der Political Correctness noch zum Lachen animiert, erfüllt er zumindest einen Zweck. Aber die Verunsicherung ist groß. Das folgende Beispiel ist nicht erfunden: Es kommt durchaus vor, dass Schüler (auch in der Oberstufe) in einer Klausur für einen Schwarzen die Bezeichnung "maximalpigmentierter Mensch" wählen - nicht etwa, um den Lehrer zu veralbern oder zu provozieren, sondern weil sie wirklich davon ausgehen, dass es sich dabei um den korrekten, "offiziellen" Begriff handelt. Offenbar traut man der Politicial Corectness etwas derartiges tatsächlich zu und ist durch die allgemeine Begriffsverwirrung nicht mehr in der Lage, satirische Übertreibung als solche wahrzunehmen.
In der ZEIT hat Ulrich Greiner mit Sachverstand und Humor die intellektuelle Dürftigkeit der Gegenseite überzeugend dargelegt. Die Passage, in der er sich mit dem umstrittenen Antisemitismusforscher Wolfgang Benz auseinandersetzt, verdient es, an dieser Stelle zitiert zu werden:
"Der Antisemitismus- und Rassismusforscher Wolfgang Benz hat vor einiger Zeit entdeckt, Astrid Lindgrens Buch sei »mit Ressentiments befrachtet« und von »Kolonialrassismus« gezeichnet. Beweis dessen: Pippi behaupte, alle Menschen im Kongo lögen.
Ja, sie sagt das, und es kommt so: Pippi geht eines Tages auf der Straße rückwärts. Von den Nachbarskindern Thomas und Annika darauf angesprochen, antwortet sie: »Leben wir etwa nicht in einem freien Land? Darf man nicht gehen, wie man möchte?« In Ägypten zum Beispiel, wo sie schon einmal gewesen sei, gingen alle Menschen so, und in Hinterindien liefen sie auf den Händen. »›Jetzt lügst du‹, sagte Thomas. Pippi überlegte einen Augenblick. ›Ja, du hast recht, ich lüge‹, sagte sie traurig. ›Lügen ist hässlich‹, sagte Annika. ›Ja, Lügen ist sehr hässlich‹, sagte Pippi noch trauriger. ›Aber ich vergesse es hin und wieder, weißt du. Und übrigens‹, fuhr sie fort, und sie strahlte über ihr ganzes sommersprossiges Gesicht, ›will ich euch sagen, dass es im Kongo keinen einzigen Menschen gibt, der die Wahrheit sagt. Sie lügen den ganzen Tag. Sie fangen früh um sieben an und hören nicht eher auf, als bis die Sonne untergegangen ist.‹«"
(http://www.zeit.de/2013/04/Kinderbuch-Sprache-Politisch-Korrekt/seite-1)
Wolfgang Benz ist nun eigentlich dafür bekannt, dass ihm so einiges entgeht. So ist dem Antisemitismusexperten bei einem Interview, das er der islamistischen Website "Muslim Markt" gegeben hat, beispielsweise nicht aufgefallen, dass dort Gedichte veröffentlicht werden, die das angebliche Streben der Juden nach Weltherrschaft zum Thema haben. Im Falle des Mörders von Toulouse, der vier Juden erschossen hat (darunter ein kleines Mädchen, das mit direkt aufgesetztem Kopfschuss hingerichtet wurde), kann Benz keine "neue Dimension des Antisemitismus" erkennen. Dafür erkennt er aber die kolonialrassistische Mentalität einer Pippi Langstrumpf sofort, wenn er sie sieht. Nur mit dem logischen Denken haperts dann ein wenig: Wenn ein Mädchen, dass sich selbst als Lügnerin bezeichnet, davon spricht, dass alle Menschen im Kongo Lügner wären, kann man getrost davon ausgehen, dass es sich dabei um eine Lüge handelt. Nicht bekannt ist bislang, ob Benz eine Studienreise nach Hinterindien plant, um zu überprüfen, ob die Menschen dort auch wirklich auf den Händen laufen.
Kurz, Ulrich Greiner entlarvt den PC-Kasperleverein als das, was er ist. Natürlich wird er dadurch selbst zur Zielscheibe. Mit reichlich Schaum vor dem Mund wirft Marius Münstermann Greiner "weißes Dominanzdenken" vor (http://www.eufrika.org/wordpress/2013/01/rassismus_in_kinderbuchern/) und Anneke Gerloff, die etwa auch das Thema "Deutschenfeindlichkeit" für erfunden hält (da fagt man sich allerdings, warum dann Sozialarbeiter, die an Schulen Projekte durchführen, dieses Phänomen im Zusammenhang mit Fremdenfeindlichkeit behandeln), reduziert Greiner in geradezu demagogischer Weise auf die Rolle des "weißen deutschen Feuilletonisten". Ein Blogger namens "momorulez" schließlich beklagt die "weiße" Perspektive (http://buehnenwatch.com/).
Warum eigentlich eine "weiße Perspektive"? Was hat dieser Ulrich Greiner eigentlich getan, um auf seine Hautfarbe reduziert zu werden (von der übrigens zum gegenwärtigen Zeitpunkt lediglich angenommen wird, dass sie hell ist - kaum einer der Kritiker dürfte Herrn Greiner schon einmal gesehen haben)? Warum billigt man ihm nicht eine "liberale Perspektive" zu? Oder eine, die kritisch gegenüber jeder Form der Sprachsteuerung ist? Vielleicht eine "linguistische Perspektive"? In jedem Fall könnte der Mann doch auch ganz einfach eine Perspekive eingenommen haben, die von Inhalten geprägt ist und nicht von seiner Hautfarbe. Warum also diese Unterstellungen?
Die Kritiker bewegen sich dabei auf sicherem ideologischen Boden. Der Irrsinn der "Whiteness Studies" hat längst schon Deutschland erreicht. Statt Rassentheorien zu überwinden, führt man sie in politisch korrekter Verkleidung fort. Dabei wird die Wertigkeitsskala der Nazis nahezu eins zu eins übernommen und als unveränderliche Diskriminierungsskala missbraucht: Ganz oben der weiße, nordische Typ, der alle anderen diskriminiert. Unten alle, die von den Nazis gehasst wurden, und das sind bekanntlich nicht wenige. Und wer nun äußert, dass er Wörte wie "Neger" nicht aus der Literatur verbannen möchte, der tut es natürlich, weil er weiß ist, und nicht etwa, weil er nachgedacht hat. So die Argumentation der einfältigen Sprachpolizisten. Mal ein Retourkutsche: Ist ihre Position denn eigentlich so viel weniger "weiß" - ein weißer, eurozentrischer Paternalismus, der davon ausgeht, der gedemütigte Schwarze benötige unbedingt zu seinem Schutze einen tapferen hellhäutigen Helfer? Man sieht, es würde auch so herum funktionieren.
Der politisch korrekte Rassenwahn scheitert letztlich, wie jede dieser kruden Theorien, an seinen eigenen inneren Widersprüchen. Statt dem Rassismus einen grundsoliden Humanismus entgegenzusetzen, d. h. das Menschsein zu thematisieren, wird nun das Weißsein als Inkarnation des Bösen thematisiert. Man muss deshalb noch lange nicht zu Vokabeln wie "antiweißer Rassismus" greifen - dafür sind die Ressentiments zu wenig konkret. Aber eine Weltsicht, die die "Weißen" als jene sieht, die zur Verantwortung gezogen werden müssen, die "anderen" hingegen als unmündige Kinder, die ihre eigenen Vorurteile niemals zu reflektieren brauchen, erfüllt die Kritieren eines "Rassismus der Antirassisten", wie Pascal Bruckner ihn umschrieben hat: Der "weiße" Antirassist behandelt andere "Weiße" wie Erwachsene, aber seine Mündel, die "Nicht-Weißen" bleiben von ihm, ihrem Fürsprecher, stets abhängig - ein Rassismus, der sich seiner selbst nicht bewusst ist. In Deutschland muss erst noch verstanden werden, dass militante Minderheitenschützer nicht das Gegenteil von Minderheitenhassern darstellen, sondern vielmehr einen Teil des Problems. Wer sind denn diese "Weißen", die ständig privilegiert werden, überhaupt? Sandra Maischberger sieht südländischer aus als Kenan Kolat. Ab wie wenig Pigmentierung ist man weiß? Aziz Bozkurt wiederum, der der "AG Integration und Vielfalt" der Berliner SPD vorsteht, bringt sich gerne gegen den Berliner Bezirksbürgermeister mit Formulierungen wie "der weiße privilegierte Buschkowsky" in Stellung. Man sieht: Man kann auch mal politisch korrekt die Sau rauslassen. Endlich!
Erinnert sei auch daran, dass die politische Korrekheit aus "Juden" bereits "jüdische Mitbürger" machen wollte. Aus den "Praktisch Bildbaren" (schon dieser Begriff verdient ein lautes "Autsch!") werden mittlerweile auch schon "seelenpflegebedürftige Menschen" (Doppel-"Autsch!"). Es ist nicht zu leugnen: Die PC-Bewegung ist ein Meister der Verschlimmbesserung. Erst müssen sich die geistig Behinderten sagen lassen, dass sie nur zu praktischen Dingen taugen, jetzt bedarf ihre Seele unserer Pflege. Und alles, weil man höflich sein will.
Ist es eigentlich überhaupt Höflichkeit? Vor einigen Jahren hat Asfa-Wossen Asserate, Großneffe des letzten äthiopischen Kaisers, ein Buch über Höflichkeit und gute Umgangsformen geschrieben (Titel: "Manieren"). Als er sein Buch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen vorstellte, definierte er Höflichkeit interessanterweise als das Gegenteil von Political Correctness. Und sollte jetzt jemand von der Gegenseite den Vorwurf erheben, ich bediente mich mit Herrn Asserate eines "Alibi-Negers", dann weiß ich wenigstens von da an ganz genau, wo die Rassisten sitzen - vielen Dank.
Aber was spricht eigentlich dagegen, Menschen so zu nennen, wie sie es gerne möchten? Nichts. Dummerweise sind aber nicht alle Menschen, die wir in eine Schublade packen, hinsichtlich dieser Bezeichnungen einer Ansicht. Es sei an die Differenzen zwischen dem Zentralrat der Sinti und Roma und der Sinti-Allianz bezüglich des Wortes "Zigeuner" erinnert. Während die letztgenannte Organisation den Gebrauch befürwortet, wittert der Zentralrat Rassismus. Pikanterweise hat der derzeitige Zentralratsvorsitzende vor Einführung des Begriffs "Sinti und Roma" in einer anderen Funktion die Bezeichnung "Zigeuner" selbst in öffentlichen Stellnungnahmen verwendet. Sind also bestimmte Begriffe grundsätzlich problematisch (und wir haben es bloß lange nicht erkannt) oder wurde bei einem an sich unproblematischen Begriff das Problem erst künstlich (und erfolgreich) herbeigeredet? Eine allgemeine Antwort kann es hier nicht geben, die Entscheidung wird im Einzelfall getroffen werden müssen. Aber deutlich wird: Die Dinge sind fast niemals so schwarz und weiß, wie es die Political Corectness gerne hätte. Entsprechend sieht Umberto Eco in der PC den Versuch der sprachlichen Kaschierung eines Problems, das man nicht zu lösen imstande ist.
In der Literatur ist es durchaus ein Vorteil, wenn uns im "Huckleberry Finn" der "Nigger" begegnet, in der "Kleinen Hexe" der "Neger" und in "Pippi Langstrumpf" der "Negerkönig". Otfried Preußlers Verlag ist zwar anderer Ansicht - man müsse Bücher "dem sprachlichen und politischen Wandel anpassen. Nur so bleiben sie zeitlos, diese Begriffe sind nicht mehr zeitgemäß, entsprechen nicht mehr dem heutigen Menschenbild." Ja, müssen die Bücher von damals denn eigentlich überhaupt dem heutigen Menschenbild entsprechen? Fremd ist nicht nur die andere Kultur, sondern auch die andere Zeit. Und die Begegnung mit der Fremdheit kann bekanntlich etwas sehr Wertvolles sein. Wenn man in einem literarischen Werk, das in einer anderen Zeit erschienen ist, die aus heutiger Sicht problematischen Begriffe tilgt, dann bringt man den Leser um diese Erfahrung der Fremdheit. Fremdenfeindlich, wenn man so will, ist also die Zensur. Zudem ist sich auch noch grob verfälschend. Sollen die Weißen in "Huckleberry Finn" denn Jim nicht mehr als "Nigger", sondern als "unseren afrokamerikanischen Freund" bezeichnen? Das haben sie nun mal damals nicht getan und wer hier korrigierend eingreift, zeichnet von dieser Slavenhaltergesellschaft ein freundlicheres Bild, als es historisch korrekt wäre. Historische Korrektheit verdient zweifellos den Vorrang vor politischer Korrektheit. Die letztere hat was mit Empörung und Selbstinszenierung zu tun, die erstgenannte mit Wissen.
Es geht bei der Beibehaltung der ursprünglichen Begrifflichkeiten also auch immer um Wissensvermittlung. Und genau das Wissen ist es, das so vielen PC-Besessenen fehlt. Paul Maar, der Schöpfer des Sams, sagt etwa im Deutschlandradio: "Wenn ein Inuit sich als Eskimo in einem Buch wiederfindet, findet er das auch nicht gut, weil Eskimo ja ein absolutes Schimpfwort ist, das die Indianer für die Eskimos oder für die Inuit genauer gesagt erfunden haben." (http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/1971455/)
Unfreiwillig komisch ist dieser Satz deshalb, weil Maar bei seiner Argumentation gegen das politisch inkorrekte Wort "Eskimo" freimütig auf das politisch inkorrekte Wort "Indianer" zurückgreift. Und hätte Maar mal vorher mal kurz bei Wikipedia reingeschaut, hätte er erfahren, dass das Wort Inuit "nicht im Wortschatz aller um den Nordpol lebenden Volksgruppen enthalten" ist und dass daher "Inuit" auch "kein Ersatz für den Terminus Eskimo" sein kann. "Inuit" ist nur in Grönland und Kanada gebräuchlich, nicht aber in Alaska und auf den Aleuten. Aber auch im kanadischen Territorium Nunavut existiert eine "West Baffin Eskimo Cooperative". Dass das Wort "Eskimo" "Rohfleischfresser" bedeute, ist nach neuesten linguistischen Forschungen übrigens vermutlich ein Mythos. Aber dieser Mythos war nachweislich die Ursache dafür, dass in den 70ern in Kanada der Begriff "Eskimo" tabuisiert und von den Betroffenen als beleidigend empfunden wurde. Sich beleidigt zu fühlen ist vorranging eine emotionale Angelegenheit und kann, wie man sehen kann, auf Falschinformationen beruhen. Hätte man schon damals herausgefunden, dass die "Rohfleischfresser"-These falsch ist, wer weiß, vielleicht wäre "Eskimo" niemals zum Unwort geworden (siehe hierzu auch: http://alt-usage-english.org/excerpts/fxeskimo.html). Aber PC-Fanatiker gehen auf Argumente dieser Art nicht ein, sie beharren auch dann auf ihren Irrtümern, wenn dieses längst erwiesen sind. Argumentativ sind sie äußerst schwach aufgestellt, dafür haben sie aber umso mehr Wut im Bauch.
Laut einer Emnid-Umfrage sprechen sich 50% der Deutschen dafür aus, "Neger" und "Zigeuner" aus Kinderbüchern zu entfernen, 48% wollen diese Wörter beibehalten. Die Zahlen verändern sich jedoch mit steigender Bildung: 85 Prozent der Volksschüler ohne Lehre befürworten die Zensur, aber nur 37 Prozent der Befragten mit Hochschulreife. Durch diese Umfrage erfährt die hier vertretene Position empirische Bestätigung: Je gebildeter ein Mensch ist, desto mehr versteht er von den eigentlichen Sachverhalten und desto weniger geht er den Sprachpolizisten auf den Leim. Es sollte auch niemanden verwundern, dass sich bereits der Deutsche Lehrerverband und der Deutsche Philologenverband für die Beibehaltung der historischen Textfassung ausgesprochen haben.
Es wird nicht die letzte PC-Debatte gewesen sein, die Deutschland führt. Dabei hatte Dieter E. Zimmer bereits in den 90er Jahren im Zuge scharfsinniger Analsyen alles gesagt, was nötig ist. Seine Texte sind im Internet zu finden und auch heute noch von ungebrochener Aktualität. Die Google-Suche und anschließende Lektüre lohnt sich also. Manchmal tut es allerdings auch eine Folge der Simpsons: In einem Halloween Special kommt es zu einer dramatischen Begegnung mit Untoten. Lisa brüllt voller Angst: "Zombies!" Bart spricht daraufhin tadelnd: "Ich glaube, sie haben es lieber, wenn man sie vermindert Lebensfähige nennt."
Und bei Max Frisch döst der amerikanische GI mit seiner deutschen Freundin noch immer friedlich an der Isar, ungestört vom PC-Wahn anderer Zeiten, "als wären vier Wände um sie".
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Peri e. V. begrüßt den Beginn des Prozesses gegen den Vater der ermordeten Arzu Özmen
Pressemitteilung
Die achtzehnjährige Arzu Özmen war am 1. November 2011 aufgrund ihrer Beziehung zu einem Nicht-Jesiden von ihrer eigenen Familie ermordet worden. Nachdem der Bundesgerichtshof Anfang dieses Jahres die Revisionsanträge von Osman und Kirer Özmen zurückgewiesen hat, sind alle Urteile gegen die Geschwister Arzus rechtskräftig. Dennoch scheinen nicht alle Hintergründe aufgeklärt worden zu sein: Arzus Vater Fendi Özmen muss sich ab dem 28. Januar 2013 vor dem Landgericht in Detmold verantworten.
Peri - Verein für Menschenrechte und Integration e. V. begrüßt diese jüngste Entwicklung und hofft, dass dadurch die Rolle des Vaters einwandfrei geklärt wird, zumal als erwiesen gilt, dass Arzu Özmen unter häuslicher Gewalt litt. Gleichzeitig befremdet es uns, dass das Gericht sich unter Verweis auf den kulturellen Hintergrund der Familie nicht näher mit der Rolle von Arzus Mutter beschäftigen wird - sie habe nicht die Stellung in der Familie gehabt, um die anderen Familienmitglieder von ihrer Tat abhalten zu könne. Zu Recht hat die Staatsanwaltschaft gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt. Peri e. V. hält die ständigen Verweise auf angebliche "kulturelle Hintergründe" vor deutschen Gerichten für eine dringend zu korrigierende Fehlentwicklung und spricht sich dafür aus, Menschen unabhängig von ihrer Herkunft, Religion oder Kultur ernst zunehmen und kulturrelativistische Positionierungen zu vermeiden. Dazu gehört eben auch, nach der Verantwortung eines Menschen für sein Handeln oder Nicht-Handeln zu fragen statt sich den Anschein eines völkerkundlichen Seminars zu geben. Nach unserer Erfahrung können Frauen in patriarchalischen Familien durchaus in die eine oder andere Richtung bestärkend wirken und haben manchmal ein besonderes Augenmerk auf die Wahrung der "Familienehre". Und sollte dies in einem bestimmten Fall nicht zutreffen, so darf von einer Mutter dennoch erwartet werden, dass sie unabhängig von ihrem kulturellen Hintergrund in der Pflicht steht, ihr Kind zu schützen, und sich nicht der unterlassenen Hilfeleistung schuldig macht.
Zudem sei daran erinnert, dass das Gericht Arzus Schwester Sirin einen aktiven Part als eigentliche Drahtzieherin zuschreibt - woraus man ersehen kann, dass Frauen in der Familie Özmen durchaus Gestaltungs- und Handlungsmöglichkeiten haben. Dies für die Schwester der Ermordeten festzustellen, für die Mutter aber von vorneherein zu verwerfen, erscheint uns als Widerspruch. In patriarchalischen Systemen treten Frauen keineswegs nur als Opfer in Erscheinungen, sondern auch als Komplizinnen. Im vorliegenden Fall müsste zumindest die Frage entsprechend gestellt werden, anstatt sie gar nicht erst zuzulassen.
Peri e. V. wird auch diesen Prozess kritisch begleiten und dokumentieren. Die rückwärtsgewandten Traditionen, die in der Familie Özmen offenkundig mächtig sind und das Leben eines Menschen gefordert haben, werfen konsequenterweise die Frage nach der Rolle der Eltern als mögliche Träger und Vermittler dieser Traditionen auf. Auf die Frage erhoffen wir uns in den kommenden Wochen eine Antwort.
http://www.pressrelations.de/new/standard/result_main.cfm?aktion=jour_pm&r=520502
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Lesehinweis (keine Satire!)
Kurz, das Model ähnelt Sakralbauten, egal ob Kirche, Moschee, Synagoge oder Tempel. Der Terrorist Jabba der Hutte liebt es, Wasserpfeife zu rauchen und seine Opfer töten zu lassen. Es ist offensichtlich, dass für die Figur des hässlichen Bösewichts Jabba und die ganze Szenerie rassistische Vorurteile und gemeine Unterstellungen gegenüber den Orientalen und Asiaten als hinterlistige und kriminelle Persönlichkeiten (Sklavenhalter, Anführer von Verbrecherorganisationen, Terroristen, Verbrecher, Mörder, Menschenopferung) bedient wurden. Erschreckend ist auch die rot-schwarze Teufels-Fratze auf der Schachtel rechts oben, die zumindest ein augenfälliges Signal ist, dass das Spiel nicht unter dem Christbaum am Weihnachtsabend liegen sollte. Die Türkische Kulturgemeinde Österreich behält sich juristische Schritte vor und überlegt, in Deutschland nach dStGB § 300 Volksverhetzung, in Österreich nach StGB § 283 Verhetzung und in der Türkei Klage bei der jeweiligen Staatsanwaltschaft in Form einer Sachverhaltsdarstellung gegen LEGO einzureichen. [...] Die Raketen, Kanonen, Waffen wie Laserpistole, Gewehre und Samuraischwerter (dienen als Füße des B'omarr-Mönchs) und Falltüren in der LEGO-Burganlage sind pädagogisch bedenklich. Die Kombination aus Tempelbau und Bunkeranlage, aus der geschossen wird, kann für Kinder zwischen 9 und 14 Jahren sicher nicht geeignet sein, vor allem in Hinblick auf ein friedliches Zusammenleben verschiedener Kulturen in Europa.
http://www.turkischegemeinde.at/index.php?id=312
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Die Mitte ist schlecht, weil sie nicht so ist wie wir
Kritische Betrachtung der Studie "Die Mitte im Umbruch. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2012" der Friedrich-Ebert-Stiftung
von Thomas Baader
TEIL 3
3. Ungeeignete Fragestellungen, um Rechtsextremismus unter Migranten angemessen untersuchen zu können
Es ist offensichtlich, dass es nicht die Absicht der Verfasser ist, rechtsextreme Einstellungen unter Migranten zu untersuchen. Das Augenmerk gilt dem einheimischen, nicht dem importierten Rechtsextremismus. Auf Seite 108 heißt es wörtlich: "Es ist plausibel zu vermuten, dass die Zustimmung zu rechtsextremem Gedankengut unter Migrantinnen und Migranten deutlich geringer ausfällt als in der Vergleichsgruppe. Der von uns genutzte Rechtsextremismus-Fragebogen ist auf Deutschland eingestellt, das heißt die Items sind im Hinblick auf den nationalen Kontext formuliert."
Hierzu lässt sich festhalten:
- Plausibel ist natürlich lediglich, dass es unter Migrantinnen und Migranten weniger Zustimmung zum Rechtsextremismus altdeutscher Prägung gibt (so wie es bei Menschen ohne Migrationshintergrund weniger Zustimmung geben dürfte zu rechtsextremen Inhalten der "Grauen Wölfe", als es bei Türkischstämmigen der Fall ist). Nicht plausibel ist es zu vermuten, dass Migrantinnen und Migranten rechtsextremem Gedankengut im Allgemeinen weniger zustimmen würden.
- Der Hinweis, dass der Fragebogen "auf Deutschland eingestellt" sei und entsprechende Items verwendet würden, dient zwar durchaus der Transparenz, offenbart aber zugleich in Überdeutlichkeit das Defizitäre der Studie. Anders ausgedrückt: Die Verfasser machen aus ihrer beabsichtigten Einseitigkeit keinen Hehl.
Zu Recht stellt Hartmut Krauss daher bezüglich der "Mitte"-Studie fest:
"Die Erfassung der Quantität und Essenz rechtsextremistischer Einstellungen konzentriert sich bislang fast ausschließlich auf die einheimische deutsche Bevölkerung ohne Migrationshintergrund. Mit dieser einseitigen Ausrichtung wird die traditionelle Rechtsextremismusforschung der veränderten Realität einer multiethnischen Zuwanderungsgesellschaft aber nicht mehr gerecht, denn sie vermittelt mit dieser Fokussierung mittlerweile ein verzerrtes Bild der wirklichen Problemlage. [...] Die auf Deutsche ohne Migrationshintergrund zugeschnittenen Fragebatterien sind nicht in der Lage, den realen Inhalt und das wirkliche Ausmaß rechtsextremistischer Einstellungen von Migranten im Allgemeinen und muslimischen Migranten im Besonderen zu erfassen. Hierzu wäre es zum Beispiel notwendig, Fragebatterien zu entwickeln, die (a) eine übersteigert-nationalistische Identifikation mit der Herkunftsnation bzw. ethnischen Herkunftsgruppe ausweisen könnten, (b) das subjektive Einstellungsverhältnis zu Verbrechen der eigenen Herkunftsgruppe eruierten (Türkischstämmige im Hinblick auf die Verbrechen an den Armeniern oder im Hinblick auf das Verhältnis zu den Kurden) und (c) religiös-weltanschauliche Überlegenheits- und Herrschaftsansprüche gegenüber 'Fremdgruppen' ermittelten."
(http://www.gam-online.de/text-Rechtsextremismusforschung.html)
Die Verfasser der Studie haben also allen Ernstes auf "Bio-Deutsche" zugeschnittene Items wie "Eigentlich sind die Deutschen anderen Völkern von Natur aus überlegen" und "Wir sollten einen Führer haben, der Deutschland zum Wohle aller mit starker Hand regiert" Menschen mit türkischem und arabischem Migrationshintergrund vorgelegt und dies mit der banalen Aussage kommentiert, dass die Zustimmung der Migrantinnen und Migranten zu diesen Aussagen erwartungsgemäß geringer ausfiel. Der wissenschaftliche Wert dieser Erkenntnis tendiert gegen null. Die fatale Konsequenz aus dieser Haltung ist, dass jene, die unter dem importierten Rechtsextremismus zu leiden haben, mit dem Problem alleine gelassen werden. Zu ihnen gehören etwa die Aleviten in Deutschland. Treffend sagte Ali Ertan Toprak, der zweite Vorsitzende der Alevitischen Gemeinde, in einem Welt-Online-Interview im Jahr 2011: "Auf dem rechten Auge ist Rot-Grün in NRW wie anderswo oft blind – wenn es um Migranten geht." (http://www.welt.de/politik/deutschland/article13242127/SPD-und-Gruene-machen-Radikale-salonfaehig.html)
Zwar bezeichnen die Verfasser die Tatsache es als "bemerkenswert", dass ihre Studie auch zu dem Ergebnis kommt, dass mehr Migrantinnen und Migranten ohne deutsche Staatsbürgerschaft zur Verharmlosung des Nationalsozialismus neigen, als es Deutsche ohne Migrationshintergrund tun (S. 109); das Kapitel "Handlungsfelder" nimmt jedoch keinen Bezug auf diesen Befund, sodass keine Konsequenzen aus dieser "bemerkenswerten" Erkenntnis gezogen werden. Dass den Verfassern überdies der Bedeutungsunterschied der Wörter "anscheinend" und "scheinbar" nicht geläufig ist, fällt angesichts dieses Umstandes kaum ins Gewicht (S. 108: "Von diesen Parteien [Linke und Piratenpartei] fühlen sich Migrantinnen und Migranten scheinbar etwas eher vertreten als andere.")
Fazit
Die Studie zeigt, wie detailliert dargelegt wurde, eine deutliche ideologische Färbung, die naturgemäß wissenschaftlicher Erkenntnis abträglich ist. Die drei Hauptmängel der Studie lassen sich, so darf vermutet werden, auf dieselbe Ursache zurückführen:
- Der Studie gelingt keine brauchbare und tragfähige Differenzierung zwischen "Islamfeindschaft" und Islamkritik, weil man eine solche eindeutige Differenzierung nicht will.
- Die Studie erfasst linksextremistische Einstellungen nicht angemessen, weil man diese nicht erfassen will.
- Die Studie erfasst rechtsextremistische Einstellungen unter Migrantinnen und Migranten nicht angemessen, weil man diese nicht erfassen will.
Das Weltbild der Verfasser lässt bestimmte Erkenntnisse von vorneherein nicht zu. Die "Mitte"-Studie und das Milieu, das sie hervorgebracht hat, müsste zunächst zu kritischer Selbstreflexion in der Lage sein, um dieses Defizit zu überwinden. Die Ausführungen der Verfasser geben allerdings keinerlei Anlass zu der Hoffnung, dass eine solche konstruktive Einstellung dort vorherrschend ist. In diesem Zusammenhang sei auf die aktuelle Debatte um Jakob Augstein verwiesen, die denselben Geist atmet: Wer das Phänomen des linken Antisemitismus nicht zur Kenntnis nehmen will (so, wie die Verfasser etwa nicht das Phänomen des Linksextremismus zur Kenntnis nehmen wollen), der kann Äußerungen eines "Linken" auch dann nicht als antisemitisch einordnen, wenn dieselben Äußerungen, getätigt von einem Konservativen, klar und eindeutig als antisemitisch gewertet würden.
Erschreckend ist zudem der Umgang der Medien mit der Studie. Obwohl kaum ein Journalist sie vollständig gelesen haben dürfte, wird sie völlig unkritisch im Sinne einer verlässlichen Quelle zitiert. Die vorliegende Analyse hat daher den Versuch unternommen, Aufklärung zu leisten.
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Mein Leserbrief an die Frankfurter Rundschau
von Thomas Baader
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich verfolge in den letzten Wochen Ihre Berichterstattung zum Antisemitismusvorwurf gegen Jakob Augstein und muss gestehen, dass ich von Ihrer Vorgehensweise einigermaßen entsetzt bin.
Bevor ich auf Ihre Artikel eingehe, zunächst ein paar notwendige Richtigstellungen: Das Simon Wiesenthal Center hat keineswegs, wie vielfach in der Presse behauptet, seine Vorwürfe gegen Herrn Augstein relativiert und ist auch nicht "zurückgerudert". Von Anfang an stand auf der Website des SWC, dass es sich bei dem Ranking um eine Liste antisemitischer und antiisraelischer Schmähungen handelt. Darauf hat das SWC hingewiesen - nichts weiter. Dieser Hinweis wäre im Übrigen erst gar nicht nötig gewesen, wenn deutsche Journalisten weniger nachlässig recherchieren würden. Es ist schon ein wenig seltsam, dass dieser korrigierende Hinweis seitens des SWC, der wie gesagt aus der Fahrlässigkeit deutscher Presseorgange resultiert, nun als Schwäche des SWC interpretiert wird und nicht etwa, wie es richtigerweise sein sollte, als Schwäche der verantwortlichen Journalisten in Deutschland.
Ob nun jemand, der (richtigerweise!) als Urheber einer antisemitischen/antiisraelischen Verunglimpfung eingestuft wird, auch als "Antisemit" bezeichnet werden darf, überlasse ich Ihnen. Ich habe dazu eine eigene Meinung.
"Wenn Jerusalem anruft, beugt sich Berlin dessen Willen", schreibt Jakob Augstein. Und außerdem dass die Rückendeckung der USA, die Israel genieße, sich der (angeblichen) Tatsache verdanke, dass jeder US-Präsident sich "vor den Wahlen immer noch die Unterstützung der jüdischen Lobbygruppen sichern" müsse. Im Klartext muss das wohl heißen: Die israelische Regierung und "jüdische Lobbygruppen" kontrollieren weite Teile der amerikanischen und deutschen Politik. Anders können diese Sätze von Herrn Augstein nicht gelesen werden. Und hier wollen Sie keine Verschwörungstheorie erkennen, die sich alter antisemitischer Klischees bedient? Wirklich nicht?
Große Teile der Presse haben auch sich völlig unsinnigerweise mit der Frage beschäftigt, ob Kritik an Israel erlaubt sein müsse und ob Israelkritik denn wirklich immer den Antisemitismusvorwurf verdiene. Nun handelt es sich dabei aber um eine glasklare Phantomdebatte, denn weder Henryk Broder noch irgendjemand anderes, der sich an dieser Debatte beteiligte, hat jemals behauptet, dass Kritik an Israel verboten und zwangsläufig antisemitisch wäre. In diesem Sinne kann auch Herr Augstein Israel so viel kritisieren, wie er will, problematisch wird es erst in dem Moment, wo er dies unter Zuhilfenahme antisemitischer Topoi tut.
Nachdem nun diese grundlegenden Dinge geklärt sind, möchte ich wie angekündigt auf Ihre Berichterstattung bzw. Ihre Kommentare Bezug nehmen. Ich überspringe hierbei den Text von Herrn Bommarius, der über die Vorzüge des Rechtsstaates philosophiert und sie darin sieht, dasss Herr Broder noch frei rumlaufen dürfe. Statt dessen möchte ich mich auf den Text von Jonas Nonnenmann vom 9. Januar 2013 konzentrieren. Herr Nonnenmann schreibt wörtlich:
"Mag sein, dass wir deutschen Journalisten uns besonders gerne mit Israel beschäftigen. Ob wir wollen oder nicht, haben viele von uns durch die Verbrechen unserer Eltern und Großeltern nun einmal eine besonders enge Beziehung zu Israel. Gerade weil wir das Land schätzen, finden wir es schlimm, wie eine demokratische Regierung Menschenrechte missachtet. Falls Augstein deshalb grollt, ist daran nichts auszusetzen. Ähnlich ist es mit den USA: Wenn dort gefoltert wird, sorgt das auch hier für Empörung; wenn aber dasselbe in Nordkorea passiert, löst der Vorfall höchstens ein Schulterzucken aus - von einer Diktatur erwarten wir ja nichts anderes. Von den Freunden in Israel hingegen schon."
Ich will es nicht verhehlen: So ähnlich habe ich auch mal gedacht. Meine Entschuldigung ist allerdings, dass ich damals noch ein Teenager gewesen bin und mich äußerst oberflächlich und undifferenziert mit dem Nahostkonflikt beschäftigt hatte. Auch ich war der Ansicht, dass ich höhere Ansprüche stelle an westliche Demokratien als an irgendwelche Dikatoren und tyrannischen Regime. Heute würde ich fragen: warum eigentlich? Gibt es für diese Sichtweise irgendeine einleuchtende Begründung? Würden Sie mit einem Kind, dass andere Kinder drangsaliert, schlägt und sonstwie quält, als Erwachsener besonders nachsichtig verfahren, während Sie mit einem Kind, dass die Grundregeln zivilisierten Zusammenlebens bereits verinnerlicht hat und keine kriminelle Laufbahn einschlägt, bei jedem Fehler ganz besonders hart ins Gericht gehen? Würde Ihnen das zweite Kind dann nicht völlig zu Recht Doppelmoral vorwerfen? Übrigens: Es gibt eine Definition von Antisemitismus, die man in diesem Fall nicht vergessen sollte - als ein Erkennungszeichen gilt, wenn man an den Staat Israel andere moralische Standards anlegt als an andere Länder.
Genau das aber tut Herr Nonnenmann laut eigener Aussage.
Mit freundlichen Grüßen
T. Baader
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Lesehinweis
hpd: Nun hat aber auch im Rechtsausschuss die Mehrheit der Sachverständigen für das Beschneidungsgesetz votiert. Ist dieses Votum gar nichts wert?
Holm Putzke: Genau – keinen Pfifferling! Überlegen Sie doch mal: Bei allen Eingeladenen war völlig klar, wie sie votieren würden, weil sich die meisten vorher schon irgendwo geäußert hatten. So standen von vornherein viele Beschneidungsbefürworter wenigen Kritikern gegenüber. Völlig überraschend war am nächsten Tag in den Zeitungen zu lesen, dass eine große Mehrheit der Sachverständigen das Gesetz gutheißt. Wer keine Ahnung hat, den beeindruckt so ein scheinbar klares Votum natürlich. Bei genauerem Hinsehen haben die gezielt ausgewählten Sachverständigen genau das produziert, was die Politik bei ihnen bestellt hat: einen Persilschein. So funktioniert Politik: Man lade sich die Applaudierer und Ja-Sager ein, die man braucht, und schon bekommt man das Ergebnis, das man haben möchte.
Warum wurden neben oder anstelle der jüdischen Beschneiderin Antje Yael Deusel und des Generalsekretärs des Zentralrats der Juden, Stephan J. Kramer, nicht Andreas Gotzmann, Professor für Judaistik an der Universität Erfurt, geladen oder Michael Wolffsohn, Historiker und emeritierter Professor? Warum wurde der gerade zum Bundesgerichtshof berufene Hennig Radtke gehört und nicht der langjährige BGH-Richter Thomas Fischer, Autor des bekanntesten StGB-Kommentars? Was qualifiziert Hans Kristof Graf, Chefarzt im Jüdischen Krankenhaus Berlin, gegenüber Boris Zernikow, Leiter des Deutschen Kinderschmerzzentrums, oder gegenüber Matthias Franz, Professor für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie? Oder was hat der Ehrenvorsitzende des Deutschen Familiengerichtstages, Siegfried Willutzki, für besondere Kompetenzen etwa im Vergleich zu einer Vertreterin oder einem Vertreter der Deutschen Kinderhilfe? Wieso wurde Aiman A. Mazyek eingeladen, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, aber kein einziger von denen, die ihre Beschneidung beklagen und unter ihrem Zustand leiden? Und mit welchem Recht erhält der Kirchenrechtler Hans Michael Heinig den Vorrang etwa gegenüber Winfried Hassemer, dem ehemaligen Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts?
http://hpd.de/node/14709?page=0,1
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Jakob Augstein und der linke Antisemitismus
von Thomas Baader
Die ganze öffentliche Debatte um die umstrittenen Aussagen des Journalisten Jakob Augstein lässt sich in einem Satz auf den Punkt bringen: Die meisten seiner Verteidiger haben seine Texte nicht gelesen und halten linken Antisemitismus von vorneherein für ein Ding der Unmöglichkeit.
Man darf annehmen, dass Augstein derzeit in seiner Rolle voll und ganz aufgeht - und die Selbstinszenierung als Opfer gehört selbstverständlich dazu: "Augstein, du bist und bleibst eine antisemitische Dreckschleuder. PS: immer schön aufpassen, wenn du über die Straße gehst." Diese über Facebook erhaltene Nachricht setzt Augstein an den Anfang seines Verteidigungsartikels bei Spiegel Online. Seht her, ich bin hier das Opfer!
Was der Augstein-Fanclub derweil von sich gibt und mit welchen Beschimpfungen er die Gegenseite bedenkt, wird freilich unterschlagen. Faszinierend ist in diesem Zusammenhang auch, dass jene Zeitungen, in denen Journalisten die Position vertreten, im Grunde gäbe es hier gar keine echte Antisemititsmusdebatte, oft einen Rattenschwanz an antisemitischen Beiträgen in den zugehörigen Kommentarbereichen bewältigen müssen. Augstein ruft also in der Leserschaft Unterstützer auf den Plan, die die Gelegenheit nutzen um mitzuteilen, dass die Presse sowieso irgendwie jüdisch kontrolliert wird. Nun besagt zwar ein Grundsatz der Fairness, dass man anerkennen sollte, dass vor dem Beifall von der falschen Seite niemand gefeit ist (bloß im Fall Sarrazin galt dieser Grundsatz nicht); das ist auch zweifellos richtig, jedoch rückt es das Bild wieder ein wenig zurecht, wenn man sich klarmacht, dass all jene, die noch eine Rechnung mit den Juden offen hatten, auf Augsteins Startsignal offenbar geradezu gewartet haben.
Der Autor dieser Zeilen hatte als sehr junger Mensch selbst einen äußerst schiefen Blick auf Israel und den Nahostkonflikt - was heute wiederum den Vorteil hat, die innere Verfasstheit Augsteins mit entsprechender Distanz nachempfinden zu können: Der Antisemitismus kann in diesem Fall keiner sein, weil er sich anti-imperialistisch maskiert - so das Denkmuster, das der Selbstberuhigung dient. Indem man sich selbst von vorneherein zu einem der Guten erklärt, ist man per Definition unabhängig von den eigenen Worten und Taten auch niemals Bestandteil einer Tätergruppe. Man will ja nur den armen Palästinensern helfen. Der Schwache hat automatisch immer Recht, also setzt man sich für ihn ein. Der Starke (oder: der als stark Wahrgenommene) muss ganz einfach schlecht sein. Also: einfach einmal Robin Hood spielen wie in Kindheitstagen. Hier bekommt August Bebels Ausspruch, wonach der Antisemitismus der Sozialismus der dummen Kerls ist, eine ganz neue Bedeutung. Das Kennzeichen des linken Antisemismus ist, dass er sich nicht als Antisemitismus versteht, sondern dass das antijüdische Ressentiment verdeckt wird durch einen Zuckerguss des antikapitilastischen, antiimperialistischen und letztlich selbstgerechten Gehabes. In diesem Sinne handelt es sich um einen Antisemitismus, der sich seiner selbst nicht bewusst ist. Die momentanen Reaktionen zeigen aber, dass auch viele, die selbst nicht vom linken Antisemitismus infiziert sind, sich seiner Existenz nicht bewusst sind.
Augsteins Umgang mit Israel ist von Vorurteilen und Ressentiments geleitet - das wird niemand ernsthaft bestreiten können, der sich mit seinen diesbezüglichen Texten auseinandergesetzt hat. Und tatsächlich kommen ja auch jetzt jene wieder zum Vorschein, die bei solchen Gelegenheiten sagen: Ja, einseitig und platt ist er, aber kein Antisemit. Besonders putzig dabei die folgende Argumentation: Augstein sei kein Antisemit, sondern ein kritischer Journalist. Wir lernen also: Antisemitismus und kritischer Journalismus schließen einander kategorisch aus, wobei es im Hinblick auf den letzteren zur Beweisführung zudem noch ausreicht, wenn der Betroffene sich selbst als kritischen Journalisten bezeichnet. Zieht man hingegen konkret Worte und Taten heran, dann sieht der kritische Journalismus eines Jakob Augstein so aus: "Würde Israel für seine machtpolitischen Interessen auf Zahnpastatuben setzen und nicht auf Atomraketen, die berufliche Zukunft von rund 13.000 Drogistinnen wäre sicher". Das ist er also, der kritische Journalismus unserer Zeit. "Differenzierte Argumentation"? Ernsthaft? Sind Augsteins Verteidiger allesamt Teil eines großen satirischen Projektes und wir haben es bisher bloß nicht gemerkt? Es scheint bitterer Ernst zu sein. Und was eigentlich nur in randständigen linksradikalen Blättchen (oder leicht variiert in rechtsradikalen Entsprechungen) vorkommen sollte, schafft es dank Augstein auf die Seiten von Spiegel Online: ein unausgegorenes, unappetitliches Gemisch aus Verwschwörungstheorien, das sich, was die Denkfiguren betrifft, an dem überreichlich ausgestatteten Fundus des traditionellen Antisemitismus bedient.
Werfen wir an dieser Stelle einen nüchternen Blick auf einige Äußerungen Augsteins. Sie sind alle den Artikeln der letzten Monate entnommen (Nummerierung von mir):
1) "Mit der ganzen Rückendeckung aus den USA, wo ein Präsident sich vor den Wahlen immer noch die Unterstützung der jüdischen Lobbygruppen sichern muss, und aus Deutschland, wo Geschichtsbewältigung inzwischen eine militärische Komponente hat, führt die Regierung Netanjahu die ganze Welt am Gängelband eines anschwellenden Kriegsgesangs."
2) "[W]enn Jerusalem anruft, beugt sich Berlin dessen Willen."
3) "Diese Leute [ultraorthodoxe Juden] sind aus dem gleichen Holz geschnitzt wie ihre islamistischen Gegner. Sie folgen dem Gesetz der Rache."
4) "Gaza ist ein Gefängnis. Ein Lager."
Nun wird man schwerlich bestreiten können, dass der den Aussagen 1) und 2) innewohnende Grundgedanke ist, Deutschland und die USA bekämen ihre politischen Entscheidungen von Israel bzw. jüdischen Lobbygruppen diktiert. Wie die Augstein-Verteidiger hier zu der Ansicht gelangen können, wesentliche Elemente der klassischen antisemitischen Verschwörungstheorie seien nicht vorhanden, bleibt schleierhaft. Wahrscheinlich ist, dass die meisten, die sich derzeit für Augstein ins Zeug legen, diese Passage entweder gar nicht oder zumindest nicht aufmerksam und bewusst gelesen haben. "Juden haben zu viel Einfluss auf die öffentliche Meinung in diesem Land" ist übrigens ein Item, das die Friedrich-Ebert-Stiftung in ihrer 2012 erschienenen Rechtsextremismusstudie verwendete, um Zustimmung zu antisemitischen Aussagen zu erfassen. Augsteins Formulierung weicht (sinngemäß) allenfalls graduell davon ab.
Aussage 3) setzt ultraorthodoxe Juden, unter denen tatsächlich hochproblematische Einstellungen verbreitet sind, mit gewaltbereiten Islamisten gleich. Bloß: Die Ultraorthodoxen werfen keine Bomben, sind ja noch nicht einmal zum Militärdienst bereit. Bei aller berechtigten Kritik an ultrareligiösen Gruppierungen in Israel: Hier brennen Augstein die Sicherungen durch, und man darf sich fragen, was dahinter steckt.
Augsteins Aussage 4), wonach Gaza ein "Lager" sei, schafft eine begriffliche Parallele zur NS-Zeit, was entweder beabsichtigt ist oder günstigsten Falls eine unbewusste Entgleisung darstellt. Die Aussage hätte natürlich ihre Berechtigung, wenn Gaza wirklich ein Lager wäre. Aber in diesem "Lager" kann man frisches Obst und Gemüse auf dem Markt kaufen, die Kindersterblichkeit ist geringer als in der Türkei und und in Ägypten, die Bevölkerungsdichte keineswegs höher als die so mancher europäischer Großstadt. Wenn Augstein wirklich kein Antisemit ist - warum, so sollte man fragen, entscheidet er sich dann für eine Wortwahl, die den Antisemiten der Welt in die Hände spielt? Warum wälzt sich der Nicht-Antisemit geradezu in antisemitischen Klischees, stets mit der Entschuldigung versehen, sie seien ja nicht auf die Juden, sondern nur auf Israel bezogen (als ob sie dadurch weniger antisemitisch würden)?
All diese Sätze wollen Augsteins Fürsprecher also gelesen haben und zu dem Ergebnis gekommen sein, keinen Antisemitismus vorfinden zu können. Nun ja! Die Wahrheit dürfte wohl sein: Statt sich über Augsteins Aussagen ein Bild von Augstein selbst zu machen (wie es eigentlich sein sollte), existiert bei diesen Damen und Herren bereits ein vorgefertigtes Bild von Augstein als netter, linker, kritischer, moderner Mann, und nur vor dem Hintergrund dieses positiv gezeichneten Bildes werden seines Aussagen gelesen, um nicht zu sagen verzerrt. Kämen Augsteins Sätze nicht von ihm, sondern von jemand anderem - beispielsweise von einer jener Personen, die in den letzten Jahren aufgrund umstrittener Aussagen in der Presse viel Negativkritik erfahren hat - die Reaktion wäre sicherlich auch eine ganz andere. Aber die oftmals linken Akteure im Feuilleton wollen sich nicht mit linkem Antisemitismus beschäftigen - der Feind soll anderswo sein, aber bitte nicht in unserem Umfeld.
Abschließend würde ich gerne Jakob Augsteins Verteidigern eine kleine Hausaufgabe erteilen: Vergleichen Sie doch einmal die Aussagen, die Augstein über Israel macht, mit denen von Jürgen Möllemann - und sagen Sie uns dann, ob Unterschiede oder nicht vielleicht doch eher Gemeinsamkeiten überwiegen.
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