| | | | | DIE MENSCHENRECHTSFUNDAMENTALISTEN | - Weder Populisten noch Verharmloser - |
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Mein Brief an Amnesty International zur Burka
von Thomas Baader
Nachdem ein Mitstreiter aus dem Peri-Verein seine Mitgliedschaft bei Amnesty International wegen inhaltlicher Differenzen die Burka betreffend gekündigt hatte, erhielt er einem in belehrendem Tonfall gehaltenen Antwortbrief von AI, in dem "freiwilliges" Burkatragen als Menschenrecht dargestellt wurde. In Absprache mit dem Betroffenen schrieb daraufhin auch ich Amnesty International in dieser Angelegenheit an:
Sehr geehrte Damen und Herren,
meine Name ist Thomas Baader. Wie Herr Helmut Biehl, der Ihnen kürzlich wegen der Kündigung seiner AI-Mitgliedschaft geschrieben hat, bin auch ich Mitglied von Peri Verein für Menschenrechte und Integration e. V. Seit knapp zwei Jahren nehme ich dort das Amt des Pressesprechers wahr. Der Verein engagiert sich aktiv gegen Zwangsverheiratung, "Ehrenmorde" und ähnlich gelagerte Verbrechen. Wir leisten auch Betroffenen aktiv Fluchthilfe und organisieren eine entsprechende Unterbringung.
Während der Themenkomplex "Kopftuch" ohnehin schon problembelastet ist, geht es im vorliegenden Fall aber um die Burka, die als Form der vollständigen Gesichtsverschleierung weder relativiert noch verharmlost werden darf. Die Geschichte der Burka ist ohne den patriarchalischen Hintergrund, der auf Besitzwahrung und Kontrolle der Frauen aufbaut, gar nicht zu verstehen. Daher ist "freiwilliges Burkatragen" ein völlig sinnentleerter Begriff, wie etwa "freiwillig sich unterordnen" oder "freiwillig Bürger zweiter Klasse sein". Sinn und Zweck der Burka war es stets, Frauen in der Öffentlichkeit unsichtbar werden zu lassen.
Wenn das Tragen der Burka mit Menschenrechten begründet wird, dann haben wir es mit einem pervertierten Menschenrechtsbegriff zu tun. In diesem Sinne sind AI-Vertreter leider oft nicht angemessen geschult, wie der Auftritt einer Dame von Amnesty International in einer Fernsehsendung vor ein paar Jahren bewies - selbige behauptete, dass es in Deutschland keine Burkaträgerinnen gäbe; alle Anwesenden, einschließlich der Gegner eines Burka-Verbots, widersprachen ihr daraufhin. Die tatsächliche Anzahl von Burkaträgerinnen in diesem Land ist übrigens völlig irrelevant für die menschenrechtliche Fragestellung, die mit der Burka verbunden ist.
Daher ist die Pro-Burka-Positionierung von AI auch als besonders ärgerlich zu werten. Eine Problematisierung ist leider nicht einmal ansatzweise zu erkennen. Denn wer in einem derart patriarchalisch geprägten Umfeld aufwächst, hat natürlich dessen Gesetze verinnerlicht und seine untergeordnete Rolle darin längst akzeptiert. Natürlich wird eine Frau angeben, die Burka freiwillig zu tragen, wenn sie jeden Tag erfährt, wie das eigene soziale Umfeld über Frauen ohne Burka denkt. Wer das mit Freiwilligkeit verwechselt, der nimmt vermutlich auch Natascha Kampuschs Aussage, "freiwillig" Geschlechtsverkehr mit ihrem Entführer gehabt zu haben, wörtlich. In diesem Zusammenhang möchte ich auf Betreuungsfälle von Peri e. V. hinweisen: Betroffene, die in ihrer Jugend unter Kopftuchzwang standen, geben an, aus unterschiedlichen Gründen früher selbst behauptet zu haben, das Kopftuch würde von ihnen freiwillig getragen. Man kann also solche Aussagen nicht unkritisch für bare Münze nehmen.
Neben diesen ethischen Gründen sprechen auch noch rein praktische Gründe gegen die Burka:
- Unsere Gesellschaft funktioniert auf eine Art und Weise, dass das Erkennen des Gesichtes des jeweils anderen und der Einsatz der eigenen Mimik eine zentrale Rolle spielen. Diese Form der Kommunikation ist wichtig für unser Miteinander.
- Bestimmte sensible Bereiche in unseres Landes werden aus guten Gründen mit Überwachungskameras kontrolliert (Banken, U-Bahn-Stationen, Flughäfen, etc.). Derartige Maßnahmen sind völlig sinnlos, wenn Menschen eine Alltagskleidung tragen, die ihre Identifizierung unmöglich macht.
- Es gibt mehrere prominente Fälle, wo ein Straftäter sich einer Verhaftung erfolgreich entziehen konnte, indem er gekleidet in die Burka seiner Schwester fliehen konnte.
Bitte bedenken Sie auch, dass es in unserer Gesellschaft üblich ist, Menschen an ihrem Arbeitsplatz erhebliche Eingriffe in ihre Kleiderwahl zuzumuten. In Shorts und T-Shirt könnten Sie in einer Bank nicht arbeiten.
Anders als Herr Biehl war ich niemals Mitglied bei Amnestey International. Ich achte allerdings darauf, keine Organisation mit Spenden zu unterstützen, die diese Sachverhalte falsch darstellt und eine Pro-Burka-Propaganda betreiben. Die Gründe für die Ablehnung der Burka sind in unserem Umfeld eben nicht fremdenfeindlicher, sondern humanistischer und emanzipatorischer Natur.
Mit besten Grüßen und in der Hoffnung, Nachdenklichkeit bewirkt zu haben,
T. Baader
Bislang erhielt ich von Amnesty International keine Antwort.
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Die Mitte ist schlecht, weil sie nicht so ist wie wir
Kritische Betrachtung der Studie "Die Mitte im Umbruch. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2012" der Friedrich-Ebert-Stiftung
von Thomas Baader
TEIL 2
2. Relativierung des Linksextremismus
An der Studie befremdet, dass sie als analytische Betrachtung des Phänomens Rechtsextremismus offenbar nicht ohne eine ideologisch motivierte Relativierung des Phänomens Linksextremismus auskommt. So heißt es auf Seite 16 wörtlich:
"Die Gleichsetzung von rechts und links ist ideologisch geleitet, analytisch irreführend und inhaltlich fragwürdig. Auf den Punkt gebracht: 'Rechtsextremismus strebt die Beseitigung der Demokratie, der Sozialismus jedoch die Abschaffung des Kapitalismus an.' Beide - und also
'links' und 'rechts' - sind deshalb nicht auf dieselbe Stufe zu stellen."
Mit einigen einfachen Taschenspielertricks schaffen die Autoren hier eine begriffliche wie inhaltliche Verwirrung:
- Eine Gleichsetzung von "linksextrem" und "rechtsextrem" findet, entgegen der Behauptung der Verfasser, in der Regel gar nicht statt. Die jetzige Bundesregierung etwa hatte ca. 24 Millionen für den Kampf gegen Rechtsextremismus bereitgestellt und ca. 5 Millionen Euro für den Kampf gegen Linksextremismus und Islamismus (zusammen, nicht jeweils!). Den zahlreichen Initiativen, die deutschlandweit gegen Rechtsextremismus existieren, steht keine entsprechende Anzahl von Initiativen gegenüber, die sich mit demokratiegefährdenden Strömungen anderer Art befassen. Linksextremismus wird also nicht über-, sondern unterschätzt.
- Die Autoren missachten in ihrer Polemik die den Begriffen "links" und "rechts" grundsätzlich innewohnende Gegensätzlichkeit, die durch den Zusatz "extremistisch" lediglich in dem Sinne ergänzt wird, als dass eine Unvereinbarkeit der jeweiligen Positionen mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zum Ausdruck gebracht wird. Der Erfuter Politikwissenschaftler Steffen Kailitz schreibt daher zu Recht: "Immer wieder bringen Kritiker wie Christoph Butterwegge (2002) den Einwand vor, die Extremismusforschung setze Links- und Rechtsextremismus gleich. Schon die Vorsilben "links" und "rechts" vor Extremismus zeigen jedoch die Anerkennung der entgegengesetzten ideologischen Ausrichtung der Phänomene an." (http://www.dvpw-extremismus.uni-bonn.de/dokumente/Kailitz-Perspektiven-03.html)
- In ihrer Argumentation ersetzen die Autoren den Begriff "Linksextremismus" ohne Angabe von Gründen durch den Begriff "Sozialismus". Diese Vorgehensweise kann als "Methode Drohsel" bezeichnet werden: Im Oktober 2009 gab die damalige Juso-Vorsitzende Franziska Drohsel der linksalternativen "tageszeitung" (taz) ein Interview. Konfrontiert mit der Frage "Gibt es einen Unterschied zwischen Links- und Rechtsextremismus?" antwortete Drohsel: "Rechtsextremismus spricht Menschen das Recht auf Leben ab. Grundlage linker Politik ist das Streben nach einem freien und selbstbestimmten Leben für alle." Man beachte: Befragt nach Linksextremismus, liefert Drohsel eine Definition von linker (also nicht notwendigerweise extremistischer) Politik in ihrem Sinne, umgeht also somit die eigentliche Fragestellung. Interessanterweise kombinierte die taz damals das Interview mit einem Foto von Drohsel, das in Anlehnung an das berühmte Gedicht von Ernst Jandl die Bildunterschrift erhielt: "Drohsel meint, lechts und rinks kann man nicht velwechsern." Bekanntermaßen war Drohsel zeitweise Mitglied im Verein "Rote Hilfe", der ehemaligen RAF-Terroristen und Stasi-Leuten sowie der kurdischen Terrororganisation PKK Unterstützung gewährt. Nun scheint der Fall Drohsel zu illustrieren, dass gerade jene, die Abgrenzungschwierigkeiten gegenüber dem linksextremen Spektrum aufweisen, dazu neigen, die Existenz des Linksextremismus zu leugnen. Auch die Autoren der Studie begeben sich in dieses Fahrwasser, wenn sie auf entsprechende Argumenationsmuster zurückgreifen.
Letztlich machen die Autoren sinngemäß folgende Aussage: Es gibt den Extremismus am rechten Rand der Gesellschaft und, dem Titel der Studie entsprechend, eben auch in der Mitte. Das linke Spektrum erhält hingegen einen Freispruch ohne jegliche vorangegangene gerichtliche Untersuchung.
Antidemokratisch ist für die Autoren offenbar per se rechtsextrem - als ob es niemals Stalinismus, DDR und RAF-Terror gegeben hätte. Indem die Verfasser etwa Antisemitismus als (in die Mitte reichendes) rechtsextremes Phänomen wahrnehmen, ignorieren sie die von Samuel Salzborn und Sebastian Voigt durchgeführte Studie aus dem Jahr 2011 zu Antisemitismus in der Linkspartei. Die krude Logik der Verfasser scheint zu sein: Wenn Linke wirklich antisemitisch sind, dann sind sie rechts. Damit wird ein Phänomen a priori als nicht-extistent erklärt, was keinen wissnschaftlichen, sondern ideologischen Ansatz darstellt.
Die Ziele linksextremer Betätigung finden durch die Wortwahl eine entsprechende Verharmlosung. Wollten denn die Terroristen der Roten-Armee-Fraktion tatsächlich nur eine "Abschaffung des Kapitalismus" und keine "Beseitigung der Demokratie"? Hat jemand, der versucht, einen Polizisten anzuzünden, etwa menschenfreundliche Absichten? Linksextreme Betätigung ist in der jüngeren deutschen Geschichte derartig gut dokumentiert, dass man den Leugnern solcher Taten offene Geschichtsfälschung vorwerfen muss.
Demokratiefeindliche Strömungen rechts und mittig, bloß nicht da, wo wir selbst stehen - also links? Soll das ernsthaft die Botschaft der Autoren sein? Die Behauptung, Linksextremismus gäbe es nicht, ist selbst als linkspopulistische Argumentationsfigur zu werten. Der Linksextremismus stellt jedoch kein zu vernachlässigendes Phänomen dar. Ihn vor dem Hintergrund des Rechtsextremismus zu relativieren ist unredlich. Ein humanistischer Ansatz sollte Radikalisierung jeder Art in Betracht ziehen und entsprechend gewappnet sein.
TEIL 3 FOLGT IN KÜRZE!
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Die Sache mit den Nazi-Abkürzungen: Ein falsches Zurückweichen
von Thomas Baader
Seitdem der "Nationalsozialistische Untergrund" und seine Untaten einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurden, will man die Buchstabenfolge NSU nicht mehr auf deutschen Nummernschildern sehen. Zumindest von offizieller Seite.
An sich ist dieses Vorgehen nur konsequent: Auch die Abkürzungswünsche SS, NS, HJ oder AH treffen bei der Zulassungsstelle auf Widerstand (und zwar auch dann, wenn man Steffen Schork oder Natascha Schmitt heißen sollte). Und an vielen Universitäten wird man feststellen, dass das Wort Wintersemester zwar mit WS, aber Sommersemester keineswegs mit SS abgekürzt wird - sondern mit SoSe.
Die Vorsicht und das Unbehagen diese "verbrannten" Abkürzungen betreffend sind nicht ganz unverständlich - aber ist es eigentlich wirklich Vorsicht und nicht etwa Angst? Und: Leistet es im Kampf gegen Rechtsextremismus wirklich einen sinnvollen Beitrag? Gibt es in Deutschland auch nur einen einzigen Neonazi weniger, weil wir nicht NS auf unsere Nummernschilder schreiben?
Es handelt sich also um Symbolpolitik im klassischen Sinne. Nun ist Symbolpolitik aber nicht unbedingt etwas Schlechtes. Staat und Gesellschaft können und sollen bei bestimmten Themen deutliche Signale setzen. Diese Signale ersetzen andere Formen der Auseinandersetzung zwar nicht, machen aber immerhin eine deutliche Aussage: Das wollen wir hier nicht!
Aber sind beim Verzicht auf rechtsextrem kontaminierte Abkürzungen denn die Signale wirklich so eindeutig? Die Stadt Hamburg etwa zeigt auf ihren Nummernschildern weiterhin stolz die Abkürzung HH. Auch das ist ein Signal, auch das macht eine Aussage: HH heißt hier Hansestadt Hamburg und nicht Heil Hitler! Wir gönnen euch diese Abkürzung nicht, sie gehört uns.
Denn das ist der Nachteil, der entsteht, wenn man solche Abkürzungen meidet: Man überlässt sie kampflos den Rechtsextremen zu Propagandazwecken. An sich ist das nicht nötig. Der Kontext sollte normalerweise in der Lage sein, Abkürzungen eindeutig aufzuschlüsseln. Ein SS auf dem Cover eines Vorlesungsverzeichnisses hieße dann eben einfach Sommersemester und könnte gar nicht Schutzstaffel bedeuten. Der Zusammenhang, in dem die Abkürzung SS erscheint, schließt hier einen nationalsozialistischen Hintergrund aus.
Der Kampf gegen Abkürzungen und auch Zahlenfolgen (man denke an die Thüringer Grünen, die eine Kampagne gegen eine Brauerei gestartet hatten, weil diese ihr Gründungsdatum - 1888 - vermarktete) entpuppt sich oft als eine Art von ergebnislosem Aktionismus, der von den wirklichen Möglichkeiten, extremistische Bestrebungen zu bekämpfen, ablenkt. Man kann sich danach als guter Bürger fühlen, ohne wirklich etwas verändert zu haben. Alte deutsche Ängstlichkeit und angstgesteuertes Gutdeutschtum gehen hier Hand in Hand.
Die Abkürzung NSU bezeichnet übrigens auch eine Automarke.
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Vor- und Nachurteil: Ressentiment und Realität
von Thomas Baader
In den Niederlanden haben drei 15-16jährige Jugendliche einen Linienrichter verfolgt und totgetreten, weil er ihrer Meinung nach falsch entschieden hat.
Wie fast alle (so vermute ich), die so etwas lesen, habe ich gleich einen Gedanken im Kopf und frage mich sofort, ob es ein Vorurteil ist. Ich frage mich nämlich auotmatisch beim Lesen, ob es sich um drei junge Moslems handelt.
Die deutsche Presse, von FAZ bis FR, gibt keine Auskunft über die Herkunft der Täter. Schaut man in die niederländische Presse, findet man nach einigem Suchen schließlich die Auskunft, dass die drei Täter aus Marokko stammen.
Man soll sich nicht von Vorurteilen leiten lassen. In der letzten Zeit aber entpuppen sich solche "Vorurteile" zu oft als "Nachurteile", d. h. Urteile, die im Nachhinein durch die Realität bestätigt werden.
Sicher dennoch kein Grund für Vorurteile (Unvoreingenommenheit sollte man sich bewahren), wohl aber ein Grund für kritische Fragen: Warum bestätigt sich schon wieder die Erwartungshaltung? Was läuft hier schief?
Nachtrag: Wenn man Berichten in Internetforen Glauben schenken kann, geschehen Übergriffe auf Schieds- und Linienrichter im Amateuerfussballbereich auch in Deutschland ständig (und auch hier ergibt sich eine klare Tätergruppe), allerdings ohne es dass es die Vorfälle in der Regel in die Presse schaffen, solange es keinen Toten gibt.
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Die Mitte ist schlecht, weil sie nicht so ist wie wir
Kritische Betrachtung der Studie "Die Mitte im Umbruch. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2012" der Friedrich-Ebert-Stiftung
von Thomas Baader
TEIL 1
Die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zu rechtsextremen Einstellungen in Deutschland wird seit 2002 alle zwei Jahre durchgeführt. Grundgedanke der "Mitte"-Studien ist hierbei, dass rechtsextreme Einstellungen nicht nur am Rand der Gesellschaft exisitieren, sondern bis weit in die Mitte hineinreichen. Die Mitte der Gesellschaft ist also, so könnte man die Position der Verfasser paraphrasieren, rechtsextremistisch kontaminiert. Diese Position rief durchaus auch Kritik hervor: In einem Gastkommentar im "Tagesspiegel" im Oktober 2010 warf der Politikwissenschaftler Klaus Schroeder der Friedrich-Ebert-Stiftung vor, die Mitte als rechtsextrem zu diffamieren und eine "offen ausgesprochene linke Kampfschrift gegen liberale und konservative Auffassungen und die hiesige Gesellschaftsordnung" produziert zu haben. Daneben gab es aber auch eine Vielzahl von positiven Reaktionen.
Die Veröffentlichung der neuesten Studie hat in den Medien ein großes Echo gefunden. Die Stuttgarter Zeitung titelte gar "Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung - Die Juden von heute sind die Muslime" und weist damit, ohne es zu wollen, auf einen Teilaspekt dessen hin, was an der Studie, zumindest aber an ihrer Interpretation, problematisch ist. Dass die Studie abgesehen von den hier diskutierten Fragwürdigkeiten dort, wo sie sich nicht in Widersprüche verstrickt, einen wertvollen Beitrag zur Erforschung fremdenfeindlicher und antidemokratischer Einstellungen leistet, sei nicht angezweifelt. Diese Verdienste können die Verfasser allerdings nicht davor schützen, dass auch die Defizite der Studie kritisch beleuchtet werden müssen.
Der Darstellung der Friedrich-Ebert-Stiftung sind vor allem die folgenden Mängel vorzuwerfen: 1. Begriffliche und inhaltliche Unstimmigkeiten bei der Differenzierung zwischen Islamfeindlichkeit und Islamkritik; 2. Relativierung des Linksextremismus; 3. ungeeignete Fragestellungen, um Rechtsextremismus unter Migranten angemessen untersuchen zu können.
Weniger ins Gewicht fallen hingegen kleinere Unstimmigkeiten, die allerdings dennoch nicht unbeachtet bleiben sollten. So wird als antisemitische Aussage im Sinne eines "sekundären Antisemitismus" gewertet: "Wir sollten uns lieber gegenwärtigen Problemen widmen als Ereignissen, die mehr als 60 Jahre vergangen sind." (S. 78)
Wer also der Ansicht ist, dass die Bekämpfung von gegenwärtigen Problemen wie etwa des heutigen Antisemitismus (innerhalb der deutschen Gesellschaft, aber beispielsweise auch seitens des iranischen Präsidenten) Vorrang haben sollte vor dem Gedenken an die Opfer des Antisemitismus vor 60 Jahren, der ist nach Ansicht der Autoren Träger eines "sekundären Antisemitismus". Dies verblüfft, denn eine solche Fokussierung auf antisemitische Probleme der Gegenwart wird von jüdischen Akteuren immer wieder gefordert (vgl. hierzu Henryk Broder, "Vergesst Auschwitz!").
In ähnlicher Weise verwundert es, dass eine Definition des Rechtsextremismus zwar gegeben wird, im Verlaufe des Textes aber unscharf die Begriffe "rechtsextrem", "rechtspopulistisch" und "rechts" nahezu synonym verwendet werden. Dennoch aber soll diese Betrachtung von nun an auf die drei bereits genannten Schwerpunkte verengt werden:
1. Begriffliche und inhaltliche Unstimmigkeiten bei der Differenzierung zwischen Islamfeindlichkeit und Islamkritik
Die Studie unterscheidet zwischen (rassistischer) Islamfeindlichkeit und (aufklärerischer) Islamkritik (Seite 86). Zwar ist der Wille zur Differenzierung grundsätzlich positiv hervorzuheben, jedoch wird abermals mit unscharfen Begrifflichkeiten gearbeitet: Das Ressentiment gilt schließlich den Menschen (also Muslimen), nicht einer religiösen Lehre mit konkreten Inhalten. Es wäre als korrekt, von "Antimuslimismus" oder "Muslimfeindlichkeit" zu sprechen. Durch die Verwendung des Begriffes "Islamfeindlichkeit" vermischen die Verfasser selbst in unzulässiger Weise das Phänomen der Feindlichkeit gegenüber einer bestimmten Menschengruppe mit dem der ablehnenden Haltung gegenüber den Regeln und Vorstellungen einer Lehre. Auch wenn diese Erkenntnis manchem schwerfallen mag: Man darf jeder Religion, also etwa dem Katholizismus ebenso wie dem Islam, "feindlich" gegenüberstehen, da von einem Menschen schlechterdings nicht erwartet werden kann, ein freundliches oder auch nur neutrales Verhältnis aufzubauen gegenüber einem religiösen Regelwerk, das nicht seinen Grundüberzeugungen entspricht. In diesem Sinne sind vermutlich auch die Worte von Bundespräsident Joachim Gauck zu verstehen, wonach die Muslime und nicht der Islam Teil Deutschlands seien. Kritisch ist zudem auch anzumerken, dass die Verfasser nicht auf die Tatsache eingehen, dass es in der Forschung heftig umstritten ist, ob Ressentiments gegen Muslime tatsächlich als Teil des Phänomens "Rassismus" zu begreifen sind. Wo es um Religionszugehörigkeit, nicht aber um Ethnie, Nationalität oder Hautfarbe geht, liegt also in jedem Fall ein (möglicherweise unzulässig) erweiterter Rassismusbegriff vor.
Dennoch kann es als Fortschritt gesehen werden, dass sich im Umfeld der Friedrich-Ebert-Stiftung zumindest die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass Religionskritik "nicht nur mit Blick auf die christlichen Religionen ihre Berechtigung [hat], sondern [...] sich auch mit islamischen Religionen beschäftigen können [muss]" (S. 87). Für die Verfasser wirft diese Feststellung jedoch auch die Frage nach der Grenzziehung zwischen Islamkritik und "Islamfeindlichkeit" auf.
Als Kriterium für "Islamfeindlichkeit" sehen es die Verfasser an, die Muslime als "einheitlichen Block, innerhalb dessen keine Abweichung möglich sei", zu sehen (ebd.). Konkretisiert bedeutet dies, dass "der Islam als die primäre und tendenziell einzige Identitätsquelle für alle Muslime gesehen wird" und alle "anderen identitätsbildenden Momente - Nationalität, sozialer Stand, Beruf, Geschlecht etc." ausgeblendet würden (S. 87f). In der Tat beschreiben die Verfasser hier ein hochproblematisches Phänomen, vergessen aber dabei anzumerken, dass diese Betrachtungsweise nicht nur typisch ist für das rechtsextreme/rechtspopulistische Spektrum, sondern auch für eine paternalistisch-kulturrelativistische Linke, die ebenfalls dazu neigt, allen Menschen einer bestimmten Herkunft pauschalisierend das Label "Muslim" aufzudrücken. Dass "der Muslim" (oder mehr noch: der streng gläubige Muslim) als dominante Kategorie im Diskurs des rechtsextremen wie des linksgerichteten multikulturalistischen Spektrum zu gelten hat, sollte eigentlich zu denken geben.
Die Verfassser gestehen der Islamkritik zwar eine Berechtigung zu, stellen sie aber gleichzeitig unter eine strenge Beobachtung - sie muss bestimmte Kriterien der Seriosität erfüllen, um ernst genommen zu werden:
"Islamkritik muss - nicht nur in Abgrenzung zur Islamfeindlichkeit - immer in den Kontext einer Selbstreflexion über die eigene Gesellschaft eingebettet sein, die die eigenen Fehlentwicklungen und Schwachstellen im Hinblick auf eine universalistisch-individualistische Entwicklung der Menschheit ebenso im Blick behält und kritisiert wie die anderer Gesellschaften. Dies bedeutet, dass die Islamkritik auch immer über sich selber kritisch reflektieren sollte." (S. 91)
In der Tat ist eine selbstkritische Position, solange sie vernunft- und nicht ressentimentgeleitet ist, grundsätzlich begrüßenswert. Die Verfasser allerdings sprechen in dieser Hinsicht unmissverständlich von einem "muss". An ihren Ausführungen sind drei Dinge zu bemängeln:
(I) Insgesamt sind die Ausführungen zu wenig differenzierend. Zwar stimmt: Wer Homosexuellenfeindlichkeit im Islam kritisiert, aber Homosexuellenfeindlichkeit im nicht-islamischen Kontext herunterspielt (wie es auf "Politically Incorrect" und anderswo beinahe täglich passiert), hat tatsächlich ein Glaubwürdigkeitsproblem. Wer aber das Thema Kopftuchzwang im Zuge einer kritischen Betrachtung behandelt, muss nicht zwangsläufig vergleichsweise weitaus harmloseren frauenfeindlichen Phänomenen, die in keinem Zusammenhang mit dem Islam stehen, die gleiche Aufmerksamkeit schenken. Schwerpunktsetzung stellt innerhalb der Forschung eine normale Vorgehensweise dar. Die Forderung, "immer [!] über sich selbst zu reflektieren", ist für eine humanistisch motivierte Islamkritik eine unnötige Forderung, da der Humanismus von vorneherein bereits geeignete Maßstäbe für eine entsprechende Kritik liefert und menschenrechtliche Probleme nun einmal nicht überall in derselben Quantität und Qualtität auftauchen.
(II) Der Grundsatz, den die Verfasser aufstellen, müsste nicht nur für die Islamkritik gelten, sondern generell für alle Formen der kritisch-analytischen Auseinandersetzung. Es würde bedeuten, dass man seriöserweise nicht Kritik an einem bestimmten politischen Spektrum formulieren kann, ohne auch kritisch das Spektrum zu betrachten, dem man sich selbst zurechnet. An diese Leitlinie halten sich jedoch die (linken) Verfasser selbst nicht, wenn sie im Zusammenhang mit einer Studie über Rechtsextremismus erklären, dass Linksextremismus für sie kein relevantes Thema darstelle. Wo zeigen die Verfasser an dieser Stelle eigentlich die Fähigkeit, "immer über sich selbst zu reflektieren"?
(III) Die Verwendung der Formulierung "über die eigene Gesellschaft" impliziert, dass für die Verfasser selbst der Islam nicht Teil der eigenen Gesellschaft ist. Damit vertreten sie im Grunde die gleiche Position wie die von ihnen kritisierten "islamfeindlichen" Strömungen. Wenn wir aber im Gegensatz dazu annehmen würden, dass der Islam in Wahrheit längst Bestandteil unserer eigenen Gesellschaft ist, so wäre Islamkritik folgerichtig auch eine Kritik an den eigenen Zuständen - die Argumentation der Verfasser wäre dann hinfällig.
Mit Blick auf die Details werden die Mängel der Studie noch deutlicher: Das Item "Die islamische Welt ist rückständig und verweigert sich neuen Realitäten" (S. 92) wird unter "Islamfeindschaft", nicht unter "Islamkritik" aufgelistet. Wer also von einer Rückständigkeit der islamischen Staaten ausgeht, ist nach Ansicht der Verfasser "islamfeindlich". Die Frage würde hier aber lauten: rückständig in welcher Hinsicht? Es darf mit gutem Grund vermutet werden, dass die meisten Befragten von einer "gesellschaftlichen Rückständigkeit" ausgingen. Nun ist es allerdings so, dass islamische Länder in den entsprechenden Rankings üblicherweise schlecht abschneiden - die Aussage, dass die islamische Welt im Hinblick auf Menschenrechte und Demokratie vergleichsweise rückständig ist, stellt somit keineswegs, wie von den Autoren behauptet, eine "islamfeindliche" Aussage dar, sondern eine Tatsachenbehauptung. Den Begriff "Rückständigkeit" auf andere Bereiche zu beziehen, erscheint eher abwegig; hätte aber tatsächlich einer der Befragten das Adjektiv "rückständig" mit Infrastruktur, Wohnstandard etc. in Verbindung gebracht, so wäre auch hier ein klarer Rückstand gegenüber der westlichen Welt feststellbar. Übrigens: Nicht unter "Islamfeindschaft", sondern unter "Islamkritik" finden wir das Item "Die strikte Trennung von Staat und Kirche ist eine westliche Errungenschaft, die auch in vielen islamischen Ländern ein Fortschritt wäre." Abermals muss man sich wundern: Weshalb wird dieser Aussage zugestanden, Bestandteil von "Kritik" zu sein und nicht, wie obige Aussage, von "Feindlichkeit"? Schießlich handelt es sich bei Fortschrittlichkeit und Rückständigkeit um ein begriffliches Gegensatzpaar. Wenn die westliche Errungenschaft der Trennung von Staat und Kirche ein Fortschritt für islamische Länder wäre, aber eben nicht ist, weil sie dort nicht bis jetzt nicht existiert, dann muss man doch zwangsläufig zu der Aussage gelangen, dass die islamischen Staaten in diesem Bereich nicht forschrittlich, also eben rückständig sind. Damit sind wir aber bei genau jenem zuvor genannten Aussage angelangt, welche von den Verfassern als "islamfeindlich" eingestuft wird - obwohl sie nur eine logische Folge aus einer "islamkritischen" Aussage darstellt.
Eine bestimmte Tendenz in der Darstellung ist bereits an dieser Stelle unübersehbar: Während im Hinblick auf die Mehrheitsgesellschaft der Versuch unternommen wird, extremistische Tendenzen auch in der Mitte nachzuweisen, werden die extremistischen Tendenzen in der islamischen Community am Rand verortet. Mit einer Mischung aus (Schein-)Argumenten und (durch einerseits korrekte wie auch andererseits durch nicht plausible Fragestellungen zustandegekommene) Befunde wird also der Untersuchungsbereich eines potentiellen Extremismus im Hinblick auf die nicht-islamische Gesellschaft erweitert, im Hinblick auf die islamische Community hingegen begrenzt. Die Botschaft lautet: Problematische, antidemokratische und menschenrechtsfeindliche Einstellungen sind im Islam ein Randphänomen, und wer etwas anderes behauptet, ist ein rassistischer Islamfeind - problematische, antidemokratische und menschenrechtsfeindliche Einstellungen sind in der Mehrheitgesellschaft ein auf die Mitte übergreifendes Phänomen, und wer etwas anderes behauptet, ist ein Verharmloser. Dadurch sind die Autoren selbst jenem paternalistisch-kulturrelatvistischen Umfeld zuzuordnen, das sich selbst und ihren von ihnen intellektuell entmündigten Proteges, den Muslimen, der Kritik entzieht.
TEIL 2 FOLGT IN KÜRZE.
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