Ein weiterer Grund, im Herbst nicht die SPD zu wählen
von Thomas Baader
Die Erziehungswissenschaftlerin Yasemin Karakasoglu ist im SPD-Wahlkampfteam für das Thema Bildung zuständig. Von "Multikulti" und "Multilingualität" hält die Bremer Professorin eine Menge. [...] Steinbrück begründete die Auswahl mit den Worten, ihre Biografie sei "ein gutes Beispiel für gelungene Integration". Karakasoglu zeige, wie bedeutend das Thema Bildung sei, zumal für die Integration. "Streitbar nach außen" sei die Wissenschaftlerin, sagte Steinbrück, und eine "Befürworterin von Klartext". Damit fühle er sich gut. "Missverstanden" worden sei Karakasoglu aber auch schon, sagte Steinbrück und beugte damit Kritik vor. Auf jene Missverständnisse angesprochen, verwies die Wissenschaftlerin auf die Diskussion über Zwangsheiraten und Ehrenmorden. Missverstanden sei ihr Hinweis, dass diese eben keine kulturellen Merkmale des Islam seien. In der öffentlichen Debatte werde zuweilen so getan, als seien Zwangsheiraten und Ehrenmorde "tief verwurzelt in der türkischen Kultur". Das Gegenteil aber sei der Fall. "Sie (Zwangsheiraten und Ehrenmorde) sind eine Perversion des Islam." Es handele sich um Menschenrechtsverletzungen, die der islamischen oder türkischen Kultur "nicht inhärent" seien.
Missverstanden? Yasemin Karakasoglu war im Jahr 2006 Mitinitiatorin eines gegen Necla Kelek gerichteten Offenen Briefes. Der Brief war angeblich von 60 Migrationswissenschaftlern unterschrieben worden, wobei die FAZ nachweisen konnte, dass nur ein Fünftel der Unterzeichner in der Migrationsforschung über Türken tätig gewesen war. Alice Schwarzer verwies zudem in einem Artikel auf Karakasoglus Verbindungen zur islamistischen Szene.
In dem Offenen Brief war auch die Rede davon, dass im Zuge einer Kampagne gegen Zwangsheirat des Berliner Stadtteils Neukölln eine angeblich fragwürdige Literaturliste aufgetaucht sei: "Zudem werden Romane empfohlen – alles Boulevard-Storys, in denen »muslimische Mädchen ganz »authentisch« berichten, wie sie gequält und geschunden wurden. [...] bei den erwähnten Büchern handelt es sich um reißerische Pamphlete, in denen eigene Erlebnisse und Einzelfälle zu einem gesellschaftlichen Problem aufgepumpt werden [...]."
Was Karakasoglu und Konsorten dort betrieben, war klassisches "Victim Blaming": Die Opfer von Gewalttaten wurden dafür attackiert, dass sie über diese Gewalttaten offen sprechen und nicht besser den Mund halten. Das Opfer trägt also somit die Schuld, dass die Tat an die Öffentlichkeit kommt und nicht unter dem Teppich bleibt. Ob die Verfasser des Briefes so auch über Bücher sprechen würden, die von ehemaligen Opfern von Kindesmissbrauch verfasst wurden? "Reißerische Pamphlete"? Wer diese Wortwahl anschlägt, verdient es nicht, als "Migrationswissenschaftlerin" weiter ernst genommen zu werden.
Sorry, Peer Steinbrück: Ein Missverständnis sieht anders aus.
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