von Thomas Baader
Was für eine Wortschöpfung: Jörg Lau nennt die Anschläge von Norwegen den „11. September der Islamkritik“ (http://blog.zeit.de/joerglau/2011/08/08/zweierlei-islamkritik_4990). Geht es eigentlich auch noch eine Nummer größer?
Was das Ausmaß des Terrors angeht, handelt es sich von vorneherein um einen schiefen Vergleich. Am 11. September 2011 starben mehr als dreißig mal so viele Menschen infolge terroristischer Anschläge als am 22. Juli 2011 in Norwegen. Breiviks Massenmord bewegt sich eher noch in der Größenordnung des Massakers von Madrid. Letzteres ist für Laus Zwecke allerdings natürlich viel weniger medienwirksam.
Nun mag jemand einwenden, dass man Opferzahlen nicht gegeneinander aufrechnen sollte und das jeder Tote einer zuviel ist. Das ist richtig. Doch würden wir es auch reichlich seltsam finden, wenn jemand ernsthaft den Irakkrieg als den „Zweiten Weltkrieg des 21. Jahrhunderts“ bezeichnen würde, auch wenn im Irak unzweifelhaft viele Menschen gestorben sind. Die Dimensionen stimmen in diesem Fall eben einfach nicht.
Bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass die Breivik-Anschläge sich vom 11. September in vielfacher Hinsicht unterscheiden:
Es gibt keinen organisierten islamkritischen Terrorismus. Eine islamkritische Al Kaida existiert nicht. Es gibt bislang einen einzigen „islamkritischen“ (richtiger: rechtsextremen) terroristischen Großanschlag in der jüngeren Geschichte, und dieser wurde nach derzeitigem Ermittlungsstand von einem Einzeltäter ausgeführt.
Es gibt keine ausgeprägte Sympathisantenszene im Hinblick auf Breiviks Anschlag. Die Medien werfen rechtspopulistischen sowie „rechtspopulistischen“ Autoren, Parteien und Internetportalen vor, sich durch Distanzierungen möglichst schnell aus der Verantwortung stehlen zu wollen. Aber diese Distanzierungen, getätigt jeweils aus welchem Grund auch immer, zeigen doch gerade, dass kein zahlenmäßig stark vertretenes Milieu existiert, dass Breiviks Anschläge beklatscht – ganz im Gegensatz zu den Jubelreaktionen bestimmter Kreise, die im Falle islamistischer Anschläge auftreten. Wenn man dem Feind also leider nicht vorwerfen kann, dass er die Anschläge von Norwegen bejubelt (weil er das nun mal erwiesenermaßen wirklich nicht tut), wirft man ihm stattdessen vor, dass er sie verurteilt (was reichlich sinnlos ist).
Der Täter von Norwegen führte überdies die Anschläge im eigenen Land durch und tötete Angehörige der eigenen Bevölkerung. Die Anschläge des 11. Septembers hingegen hatten durchaus den Charakter eines Angriffes „von außen“ auf die USA.
Wir halten also fest: Ein Einzeltäter hat, ohne dass er sich auf eine entsprechende terroristische Organisation stützen könnte oder dass es eine solche auch überhaupt nur gäbe, Anschäge durchgeführt, die nahezu vollständig auf Ablehnung und Abscheu stoßen – und zwar bei allen politischen Kräften und Milieus. Er hat eine große Anzahl Menschen heimtückisch ermordet, ohne jedoch die Dimensionen des 11. Septembers auch nur annähernd zu erreichen. Seine Nähe zur „Islamkritik“ stellt dabei ein ähnlich wirres und widersprüchliches Konzept dar wie die Nähe des Mörders von Pim Fortuyn zur Tierschützerszene (letzteres führte nicht zu der Forderung, den Tierschutzgedanken mal für eine Weile ruhen zu lassen).
Wo da eine Ähnlichkeit zum 11. September gegeben sein soll, weiß nur Jörg Lau.
|