Bericht: Lesung von Necla Kelek in Pfungstadt
von Thomas Baader
Necla Kelek hielt am 18.9.2011 im hessischen Pfungstadt eine Lesung. Drei Mitglieder des MRF-Teams waren im Historischen Rathaus vor Ort.
Kelek sprach zu Beginn die „arabische Revolution“ an, die zurzeit in mehreren Ländern in Nordafrika und im Nahen Osten stattfindet: Nüchtern betrachtet seien bisher nur Diktatoren verjagt worden, nach Marx mache jedoch das Wesen einer Revolution vor allem eine grundlegende Umgestaltung der Gesellschaft aus. Da bereits jetzt Stimmen in diesen Ländern auf der Scharia als Grundlage jeder zukünftigen Gesellschaftsordnung beharrten, zeigte Kelek sich in dieser Hinsicht skeptisch. Sie zitierte eine prominente ägyptische Frauenrechtlerin, die die Ansicht vertrat, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch gar nichts gewonnen sei. Aufklärung, so Kelek weiter, sei eben ohne Religionskritik undenkbar. Dementsprechend könne man in den arabischen Ländern nur dann von einer echten Revolution sprechen, wenn die Religion endlich kritisch hinterfragt werde.
An die Analyse der Gegenwart schloss Kelek eine historische Betrachtung an: Die Tatsache, dass der Islam eben nicht nur Religion, sondern auch Weltanschauung und politische Ideologie sei und sich anders als das Christentum keiner Säkularisierung unterzogen habe, sei eben nur aus seiner Geschichte heraus erklärbar. Im Mittelalter sei der Islam sogar innovativer gewesen, christlichen Theologen wie Thomas von Aquin hingegen habe die Frau als etwas Mangelhaftes und Misslungenes gegolten. Schließlich aber habe sich in den europäischen Gesellschaften eine rationale Wissenschaft herausgebildet, während sich in den islamischen Ländern eine historische Lesart des Korans verboten habe. Aus der islamischen Gesellschaft sei somit jegliche Innovationsfähigkeit verschwunden.
Es sei dieser Hintergrund, auf dem die Integrationsprobleme heutiger muslimischer Einwanderer beruhten. In diesem Zusammenhang verwies Kelek darauf, dass nach deutschem Recht die Religionsmündigkeit eines Menschen im Alter von 14 Jahren vorliege – weshalb das Tragen eines Kopftuches für jüngere Kinder nicht zuzulassen sei. Kelek plädierte in der Kopftuchfrage somit für ein „Recht auf Kindheit“. Die bereits gültige Integrationsgesetzgebung verlange zudem eben auch die Annahme der hiesigen Rechtsordnung und der entsprechenden kulturellen Werte.
Ein gewichtiges Integrationsproblem sieht Kelek in der Verunsicherung, die die Deutschen (und die Europäer im Allgemeinen) selbst bezüglich ihrer Identität hätten: Das eigene Land sei eben nicht nur die Wiege des Holocaust oder eine ehemalige Kolonialmacht, Nationalbewusstsein sei nicht Nationalismus und Identität nicht Rassismus. Im Gegenteil betrachtet Kelek eine gefestigte Identität der Aufnahmegesellschaft als etwas, das auf Einwanderer attraktiv wirken kann.
Nicht alle trauten an diesem Abend den etablierten Parteien die Lösung dieser Probleme noch zu: In der abschließenden Diskussion kam aus dem Publikum der Vorschlag, von nun an nicht-radikale Kleinparteien zu wählen.
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