Interview
Wolfgang Hübner ist der Fraktionschef der FREIEN WÄHLER in Frankfurt am Main. Mit „Die Menschenrechtsfundamentalisten“ sprach er über Versäumnisse in der Integrationspolitik und über die Debattenkultur in der deutschen Gesellschaft.
Die Menschenrechtsfundamentalisten: Herr Hübner, in Frankfurt kritisieren die FREIEN WÄHLER das kürzlich im Stadtparlament mit großer Mehrheit verabschiedete Integrationskonzept als kulturrelativistisch. Wogegen genau richtet sich Ihre Kritik?
Wolfgang Hübner: Die Kritik der FREIEN WÄHLER an dem am 30. September 2010 mit großer Mehrheit verabschiedeten sogenannten „Integrations- und Diversitätskonzept“ des Magistrats ist grundsätzlicher Art. Dieses „Konzept“ beinhaltet tatsächlich den Abschied vom bisherigen gesellschaftspolitischen Ziel der Integration von Einwanderern in die deutsche Aufnahme- und Mehrheitsgesellschaft. Folglich werden der Sinn und der Zweck von Integration bis zur Unkenntlichkeit umgedeutet und abgewertet. Stattdessen wird in dem „Konzept“ ein neues gesellschaftspolitisches Ziel mit der Bezeichnung „Diversität“, also „Vielfalt“, zu Grunde gelegt. Das ist nichts anderes als der nachweisbare Versuch, die in der Praxis gescheiterte Multikulti-Utopie mit einer neuen Bezeichnung, doch alten Zielen zu realisieren. Es handelt sich kurzum um einen politischen wie theoretischen Etikettenschwindel. Das „Konzept“ gibt den natürlichen Vorrang der gewachsenen Kultur und Werte der Aufnahmegesellschaft in Frankfurt auf und propagiert faktisch die Gleichrangigkeit eingewanderter Kulturen, besonders islamische geprägter Kulturen. Das „Konzept“ blendet ferner real bestehende und schwerwiegende Probleme der Integration weitgehend aus, bestreitet oder beschönigt sie. Für diese Probleme werden nicht einmal ansatzweise realistische Lösungen aufgezeigt, dafür aber gibt es für Integrationsprobleme direkte oder indirekte Schuldzuweisungen an die deutsche Aufnahmegesellschaft.
MRF: In welchen Bereichen sehen Sie eine Bringschuld der Migranten? Was muss sich in der muslimischen Community ändern, damit Integration gelingen kann?
Hübner: Eine Bringschuld der Einwanderer ist generell gegeben. Deutschland dürfte das einzige Land der Welt sein, das eine solche überhaupt problematisiert. Niemand verlangt, dass Einwanderer ihre Identität aufgeben, ihre ethnischen, kulturellen und religiösen Wurzeln verleugnen. Aber verlangt werden muss eine größtmögliche Bereitschaft zur Anpassung an und in die Aufnahmegesellschaft. Einwanderung ohne Integration ist letztlich Invasion. Und auf die, die gegenwärtig aufgebrochene Diskussion macht das deutlich, reagieren die Menschen verunsichert und auch aggressiv. Von einer „muslimischen Community“ würde ich so pauschal nicht sprechen. Es gibt viele Menschen aus dem islamisch geprägten Kulturkreis, die froh sind, diesen verlassen zu haben. Und es gibt natürlich andere, die hier so oder sogar noch radikaler den Islam leben wollen wie in ihren Herkunftsregionen. Sie müssten eine klare Botschaft bekommen: keine Ausnahmeregelung, Sonderrechte oder gar Scharia. Und selbstverständlich gehört der Islam weder zu Deutschland noch zum Westen. Wer das als Zumutung empfindet, kann und soll gehen.
MRF: Ist Frankfurt Ihrer Ansicht nach eine Stadt, in der sich Parallelgesellschaften bereits völlig verfestigt haben?
Hübner: Nein, soweit das räumlich gemeint ist, auch wenn es durchaus bereits Stadtbezirke gibt, in denen solche Verhältnisse fast oder bald herrschen. Viel gefährlicher und viel realer sind die informellen Parallelgesellschaften, praktisch ausschließlich islamischer Natur. Jede Moscheegemeinde, meist als „Kulturverein“ auftretend, ist schon eine kleine Parallelgesellschaft. Und es werden immer mehr.
MRF: Frankreich verbietet die Burka, Alice Schwarzer und eine größere Anzahl türkischstämmiger Autorinnen und Frauenrechtlerinnen fordern ein Kopftuchverbot für Schülerinnen in Deutschland. Sind Verbote dieser Art ein Beitrag zur Lösung oder eher ein Irrweg?
Hübner: Burkaverbot und Kopftuchverbot für Schülerinnen lösen nicht das grundsätzliche Problem, sind aber wichtig als symbolische Handlungen gegen die Islamisierung. Wir müssen klar machen: Wer nach islamischer Lebensweise sich in Deutschland einrichten und also mehr und mehr Sonderrechte beanspruchen will, ist hier fehl am Platze und sollte die Konsequenzen ziehen. Wir müssen jetzt Grenzen setzen, bevor es immer schwerer wird, diese auch durchzusetzen.
MRF: Oft hört man in Bezug auf die Integrationsdebatte den Satz: „Das ist alles richtig, aber man darf es nicht laut sagen.“ Läuft in unserer Debattenkultur etwas schief?
Hübner: In unserer Debattenkultur läuft schief, dass wir eigentlich eine solche überhaupt nicht mehr haben. Das hat der Konflikt um Dr. Sarrazin und sein Buch sehr deutlich gemacht. Dr. Sarrazin hat völlig recht, wenn er von einer Republik des "Duckmäusertums" spricht. Linke und Linksliberale reden ununterbrochen von "Toleranz", praktizieren aber maximale Intoleranz. Als alter 68-er erinnere ich mich gut an das Wort von der "repressiven Toleranz". Diejenigen, die diese "repressive Toleranz" damals brandmarkten, sind nun die fanatisch eifrigen Verfechter derselben.
MRF: Wie optimistisch sind Sie, was die Lösung der Integrationsprobleme angeht?
Hübner: Ich bin weder optimistisch noch pessimistisch. Was wird, ist davon abhängig, ob und was sich politisch ändert. Es muss sich sehr viel ändern, und ich leiste meinen bescheidenen Beitrag für unser Volk und unsere Demokratie.
MRF: Herr Hübner, wir danken für dieses Gespräch. |