Warum ich für ein Burkaverbot bin
von Thomas Baader
Ein Verbot der Burka (und ähnlicher verhüllender Kleidungsstücke!) ist mit schöner Regelmäßigkeit immer wieder Gegenstand der öffentlichen Debatte. Die Gegner des Verbotes treten hierbei oftmals mit Argumenten an, die auch durch ständige Wiederholung nicht richtiger werden.
Zunächst: Das, was wir „Burkaverbot“ nennen, ist in der Realität oftmals keineswegs als solches definiert. Belgien etwa verbietet nicht explizit die Burka, sondern das Tragen aller Kleidungsstücke in der Öffentlichkeit, die eine Identifizierung unmöglich machen. Als Ausnahmen gelten notwendige Sicherheitsbekleidung (wie Motorradhelme) und Maskerade zu bestimmten Anlässen (wie Karneval). Dennoch: Die Stoßrichtung der belgischen Regelung zielt zweifelsohne auf bestimmte islamische Kleidungsformen. Aber das mit guten Gründen.
Da ist zunächst einmal der rein pragmatische Aspekt. Unser gesamtes gesellschaftliches Miteinander ist darauf ausgerichtet, dass man einander ins Gesicht sehen kann. Überwachungskameras an gefährdeten Orten (Banken, U-Bahn usw.) kann man sich im Grunde sparen, wenn den Bürgern gestattet ist, sich durch eine entsprechende Kleidung jedweder Identifizierung zu entziehen. Mir berichtete vor Jahren einmal ein Fahrprüfer, dass sich ein weiblicher Prüfling vollverschleiert ins Auto setzte – dem Prüfer wurde auf entsprechende Anfrage von kompetenter Stelle auch mitgeteilt, dass er das hinnehmen müsse und nicht auf einen Kleidungswechsel bestehen dürfe. Wie, so fragte der Fahrprüfer, kann ich dann eigentlich wissen, dass wirklich diese Frau gerade die Prüfung ablegt – und dass unter dem Schleier nicht in Wahrheit die ältere Schwester sitzt, die bereits den Führerschein hat? Darauf erhielt er keine Antwort. Dass Vollverschleierung auch noch im höchsten Maße ungesund ist (Stichwort: Vitamin-B-Mangel), sollte ebenfalls nicht unerwähnt bleiben.
Wichtiger als der pragmatische ist der ethische Aspekt. Egal, wie man es dreht und wendet, der Grundgedanke, der hinter der Burka steht, ist: „Meine Frau darf von niemandem angesehen werden.“ Jetzt mag jemand einwenden, dass ich hier das Märchen von den bösen männlichen Zwangsverschleierern bemühe, wo doch in Wahrheit, so ergeben Befragungen, sich die Frauen selbst so kleiden wollen. Nun ist es allerdings keine besonders neue Erkenntnis, dass jedes Unterdrückungssystem versucht, die Unterdrückten in der Form zu sozialisieren, dass sie ihr Schicksal bejahen. Auch Sklavenhalter des 19. Jahrhunderts argumentierten zuweilen so: „Meine Sklaven wollen gar nicht frei sein. Frag sie doch!“ Natürlich, denn wer innerhalb eines bestimmten Wertesystems erzogen ist, das ihn oder sie zwar zum Menschen zweiter Klasse macht, aber gleichzeitig Anforderungen stellt, die leicht zu erfüllen sind (Gehorsam, unterwürfiges Verhalten), der findet vielleicht eine gewisse Befriedigung in er minimalen Anerkennung, die er dafür erhält, dass er der Rollenerwartung seines Umfeldes entspricht. Gerade als Frau möchte man ja vielleicht in einer Gesellschaft, die von der „Hure oder Heilige“-Vorstellung geradezu besessen ist, lieber zu den Schicklichen zählen. Ich bleibe daher dabei: Wertevorstellungen, die Menschen einer bestimmten Gruppe dazu verdammen, sich nur in einem Stoffsack bewegen zu dürfen, stellen eine Menschenrechtsverletzung dar.
Nun kommen wir zu dem mit Abstand schwächsten Argument der Gegenseite: Die Anzahl der Burkaträgerinnen sei so gering, dass sich ein Gesetz nicht lohne. Erstens wird die tatsächliche Anzahl wohl oft heruntergespielt (eine „Expertin“ behauptete in einer Fernsehdiskussion sogar einmal dreist, es gäbe gar keine Burkaträgerinnen in Deutschland, was bereits ich alleine durch meine Alltagserfahrungen widerlegen kann), zweitens ist aber die Anzahl der Trägerinnen in dieser Frage sogar völlig irrelevant. Es gibt schließlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder stellt die Burka eine Menschenrechtsverletzung dar oder sie tut es nicht. Wenn sie es nicht tut, müssen wir auch nicht handeln. Tut sie es aber (und ich habe oben dargestellt, warum es meiner Meinung nach so ist), dann ist völlig unerheblich, ob es in Deutschland keine, eine oder zehntausend Burkaträgerinnen gibt. Der Staat hätte in diesem Fall die Pflicht, die Einwohner dieses Landes vor Menschenrechtsverletzungen zu schützen. Dieses Recht auf Schutz hätte auch Deutschlands einzige Burkaträgerin, falls es nur diese eine gäbe. Anders ausgedrückt: Wenn wir feststellten, dass es nur einen Menschen in Deutschland gibt, der sich einen Sklaven hält, könnten wir auch schlecht argumentieren: „Dann brauchen wir Sklaverei ja nicht unter Strafe stellen, so viele Fälle gibt es ja nicht…“. Die Frage, ob etwas Recht oder Unrecht ist, misst sich nicht an der Häufigkeit, mit der es geschieht. Man dürfte auch eine Burkaträgerin, die die einzige ihrer Art in Deutschland wäre, nicht im Stich lassen, sondern müsste für ihre Menschenrechte eintreten. Nach meinem Dafürhalten geschieht dies am besten durch ein entsprechendes Verbot.
Richtig ist auch, dass es mit einem Verbot alleine nicht getan sein wird. Aber das ist ein anderes Thema.
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