Zahid Khan und die 40 Demonstranten
von Thomas Baader
Am 4. November 2011 demonstrierten 40 Muslime auf dem Marktplatz der beschaulichen Fachwerkstadt Seligenstadt gegen die Veröffentlichung des Buches „Die Verbrechen des Propheten Mohammed“ von Zahid Khan und forderten ein Verbot. Das Bizarre daran: Aus den Protestlern selbst scheint eigentlich niemand das Buch zu kennen.
Sie ziehen „Allahu Akbar“ rufend durch die Innenstadt, auf den mitgeführten Schildern steht „Das Buch Die Verbrechen des Propheten Mohammed muss verboten werden“, „Herr Khan ist inspiriert vom Teufel“, „Stopt die Hätze gegen den Islam“ und „Wo ist die Religionsfreiheit?“. Andere Schilder sind auf Arabisch beschriftet und dürften daher wohl kaum geeignet sein, Passanten das Anliegen der Demonstranten auf einer inhaltlichen Eben zu vermitteln. Aber will man das überhaupt? Oder soll der Autor einfach nur eingeschüchtert werden?
Der Aufmarsch – übrigens ausnahmslos Männer – kommt beim Seligenstädter Amtsgericht vorübergehend zu einem Halt. „Ich möchte, dass das Buch verboten wird. Das ist mein Anliegen. Das Buch soll verboten werden“, wird das dortige Personal angeherrscht.
Später auf dem Marktplatz skandieren die Demonstranten mehrfach „Es gibt keinen Gott außer Allah!“ Der Sprecher der Gruppe verschafft sich Gehör: „Wir müssen fragen: Was ist Meinungsfreiheit und was ist Religionsfreiheit? Wie weit kann Meinungsfreiheit gehen und wann hört Meinungsfreiheit auf, wenn religiöse Gefühle verletzt werden? Wann fängt Meinungsfreiheit an, beleidigend zu sein?“
Einen Eindruck von der Demonstration kann man sich auf Youtube verschaffen: http://www.youtube.com/watch?v=_PMIuhw8tHs&feature=related
Nun geht es hier jedoch interessanterweise um ein Buch, das niemand zu kennen scheint. Sucht man im Internet unter dem Namen des Autors oder dem Titel seines Werkes, so landet man ausnahmslos bei Texten, die einen Bezug zu der Seligenstädter Demonstration aufweisen. Anders gesagt: Es sieht ganz so aus, als ob die 40 protestierenden Moslems dem Buch überhaupt erst einen größeren Bekanntheitsgrad verschafft haben.
Ähnlich wie im Falle Sarrazin ist es äußerst schwierig, Aussagen über ein Buch zu machen, das man selbst nicht gelesen hat. Möglicherweise handelt es sich um unwissenschaftlichen und schlecht recherchierten Schund. Vielleicht hat der Autor auch tatsächlich keine guten Absichten und ist niemand, den man verteidigen sollte. Aber vielleicht hat er ja sogar die Proteste mitorganisiert und es handelt sich um eine listige Marketingstrategie, um das Buch bekannt zu machen? Unabhängig von diesen Gedankenspielen stellt sich jedoch die Frage, wie die Verbotsforderungen der Demonstranten zu bewerten sind.
2007 erschien ein Buch mit dem Titel „Die Jesus-Lüge. Wie die Figur Jesus Christus erfunden wurde.“ Bei Amazon heißt es in der Kurzbeschreibung: „Jesus Christus ist eine fiktive Gestalt, die Christenheit hat mehr als 2000 Jahre lang ein Götzenbild verehrt“. Nun ist diese Aussage zwar definitiv falsch (der historische Jesus ist durch Quellen besser belegt als etwa Alexander der Große), doch diese Falschaussage verletzt genauso wenig die Religionsfreiheit irgendeines Menschen, wie es ein Buch tut, dass Mohammed zum Verbrecher erklärt. Als Christ bleibt meine Religionsfreiheit vollkommen davon unberührt, dass Monthy Python „Das Leben des Brian“ gedreht hat, dass Mel Brooks in seiner „Verrückten Weltgeschichte“ beim letzten Abendmahl kellnert oder Bertrand Russell in seinem Buch erklärt: „Warum ich kein Christ bin“. Protestanten, die ihrer religiösen Gefühle verletzt sehen, weil jemand Martin Luther aufgrund entsprechender Aussagen als Antisemiten charakterisiert, werden mit dieser Verletzung einfach leben müssen. Und wenn der bereits erwähnte Mel Brooks in einer Filmrolle als trotteliger Moses eine von drei Gesetzestafeln fallen lässt, wodurch sich die Anzahl von Gottes Geboten in Windeseile von fünfzehn auf zehn reduziert - dann werden auch streng religiöse Juden wenig Aussicht auf Erfolg haben, gegen eine solche „Beleidigung“ rechtlich vorzugehen.
Den Demonstranten scheinen diese Sachverhalte nicht ganz klar zu sein. In einem Internetforum kann man eine ausführliche Begründung dafür finden, warum das Buch von Zahid Khan nach Ansicht seiner Gegner verboten werden sollte (Link siehe unten). Einer der Gründe lautet, dass in dem Buch behauptet werde, der Koran sei nicht heilig. An dieser Stelle wird die Naivität der Demonstranten überdeutlich: Religionsfreiheit sieht bekanntermaßen auch das Recht vor, Atheist zu sein. Ein Atheist glaubt nicht an Gott und daher liegt es in der Natur der Sache, dass er die Position vertritt, dass weder der Koran noch irgendein anderer Text heilig ist. Wirft man also einem Atheisten vor, dass er den Koran nicht für heilig hält, wäre dieser Vorwurf ähnlich sinnig wie ein an die Muslime gerichteter Vorwurf, dass sie Jesus Christus nicht für den Sohn Gottes halten (und somit das Christentum beleidigen würden).
Womit wir bei der Sache wären: Denn dieser Logik folgend wäre die Religionsfreiheit von Christen, Juden und Hindus auch bereits dadurch eingeschränkt, dass 40 Männer auf dem Seligenstädter Marktplatz rufen: „Es gib keinen Gott außer Allah!“
Bezogen auf diesen Ausruf müsste man dann fragen: Wann hört Meinungsfreiheit auf, wenn religiöse Gefühle verletzt werden?
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Weiterführende Links:
Presseartikel zur Demonstration in Seligenstadt
http://www.op-online.de/nachrichten/seligenstadt/moslems-seligenstadt-demonstrieren-gegen-beleidigendes-buch-1476022.html
Text des Anmelders der Demonstration und Klageführers in einem Internetforum:
http://www.maroczone.de/forum/archive/index.php/t-42481.html
Anderes Video von der Demonstration:
http://www.youtube.com/watch?v=lcixxKGg49E&feature=related
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