von Tabu (P)
„Dein Spiegel“, jene Variante des bekannten Nachrichtenmagazins, die Kinder und Jugendliche zur Zielgruppe hat, glänzte kürzlich mit einem Artikel über eine kopftuchtragende Zwölfjährige. „Alles halb so schlimm“ war das ungesprochene Motto, denn auf zahlreichen wunderschönen Farbfotos lächelte uns die kleine Jalda entgegen, die das Kopftuch, wie mehrfach betont wird, aus eigenem Willen und tiefster Überzeugung trägt. Dazu gab es einen passenden Text der Journalistinnen Elger und Schade, dessen tantenhafter Ton selbst auf dem Kindergeburtstag einer Dreijährigen noch immer deplaziert wirken würde.
Jede Wahrheit hat bekanntlich zwei Seiten. Uns zu zeigen, dass es auch andere „ganz normale Mädchen“ als jenes aus dem Kinder-SPIEGEL gibt, ist Anliegen des folgenden Textes.
Antwort auf „Dein Spiegel“ Nr. 11/2010-11-06
Warum ich kein Kopftuch trage
Ein ganz normales Mädchen
Yasemin, 15, geht aufs Gymnasium, wurde in Deutschland geboren und hat deutsche Freundinnen. Mit denen geht sie gern einkaufen. Yasemin ist Muslimin und trägt kein Kopftuch. Warum sollte sie auch?
„Für mich ist das völlig normal, dass ich genauso aussehe wie meine Freundinnen“, sagt sie und probiert fröhlich einen Minirock an. Die muslimischen Jungs tragen ja auch kein Kopftuch!“
Bevor Yasemin aufs Gymnasium kam, war sie auf der Realschule. „Ich war sehr aufgeregt!“, erzählt sie über ihren ersten Schultag am Gymnasium.. Würden die anderen muslimischen Schüler und Schülerinnen sie auch mobben, weil sie kein Kopftuch trägt, sie als „Kartoffel“ und Christin“ beschimpfen wie an der wie an der vorherigen Schule? Aber nein! Am Gymnasium gibt es nämlich nur ganz, ganz wenige türkische Schüler und die, da sind, sind in der Regel gut integriert. Yasemin wundert sich – in der Gesamtschule war das ganz anders...
Leider schlägt Yasemins Papa sie grün und blau, wenn er sie ohne Kopftuch sieht. Deshalb geht Yasemin im langen, hässlichen Schlabbermantel und engem Kopftuch, unter dem an schwitzt (obwohl manche das Gegenteil behaupten) und Bone (So heißt die Haube unter dem Tuch, die dafür sorgt, dass bloß keine erotischen Haare hervorblitzen. Noch vor 10 Jahren kannte dies hier kein Mensch. Jetzt gibt es das immer mehr. Komisch, oder?) zur Schule, geht dann auf die Toilette, schminkt sich und kommt westlich gekleidet wieder heraus. „Ich fühle ich halt nicht wohl, wenn ich Kopftuch trage,“ sagt sie. „Es sieht einfach scheiße aus, wie eine alte Oma oder Hexe.“ Da helfen auch die Glitzersteine nichts.“ Ist ja klar, soll ja auch nicht schön machen. „Außerdem schlafe ich morgens lieber länger, als mir den Kopf einzuwickeln wie eine Mumie.“ Beim Sport stört das blöde Ding auch. Da Yasemin gut integriert ist, geht sie auch heimlich schwimmen: „Das ist normal in unserer westlichen Gesellschaft, ist gut für die Figur und macht Spaß“, sagt sie. Außerdem kann man da prima mit den Jungs flirten.
Tja ,warum versteht Yasemins Vater das nur nicht? Warum lässt er sie nicht anziehen, was sie möchte? Yasemins Mutter fleht sie an, dem Vater doch bitte zu gehorchen. „Ich habe Angst, dass Yasemin und ich sonst Probleme bekommen“, sagt sie und streicht sich über ihr angeschwollenes Auge.
Für Yasemin ist das Kopftuch nicht bloß ein Zeichen der Religion. Für sie ist es ein Zeichen der Unterdrückung der Frau, die damit ihr Kopfhaar vor fremden Männern verstecken soll, weil die in ihr bloß ein Sexobjekt sehen. Deshalb schauen manche muslimischen Männer dann komisch. Der Anblick frischgewaschenen, glänzenden Frauenhaares macht nämlich wilde Bestien aus ihnen, die sich nicht mehr beherrschen können. Das sagt zumindest der Imam, der mit Yasemins Vater befreundet ist. Wenn dann einem Mädchen, das gekleidet ist wie eine Deutsche – man kann auch Schlampe dazu sagen – dann braucht sie sich gar nicht wundern, wenn ihr was passiert. Wenn sie dann weint, wird ihr Papa böse, hat der Imam gesagt. Aber nicht auf den Täter, sondern auf das Opfer. Komisch, oder? Da muss das Mädchen dann ganz doll aufpassen, dass es nicht ehrengemordet wird vom Papa, Opa und dem großen Bruder.
Yasemin sagt, dass sie selbst entschieden hat, dass sie kein Kopftuch umlegen will: „Jeder sollte das freiwillig machen.“ Sie findet es blöd, dass man sie dazu zwingen will und viele Deutsche denken, das Kopftuch an der Schule muss erlaubt sein, weil sie sonst Nazis sind: „Das sind schlimme Vorurteile.“
Wenn ein muslimischer Schüler fragt, warum Yasemin sich nicht an die Gesetze hält, die im Koran stehen, sagt sie: „Da steht, dass Männer wie Frauen sich bedecken sollen. Wenn die muslimischen Männer sich nicht an den Koran halten, muss ich das auch nicht. Außerdem glaube ich, dass Allah echt andere Probleme hat.“
Nächste Woche ist Klassenfahrt. Leider darf Yasemin nicht mit, wie so viele andere muslimische Mädchen. Die werden dann alle auf einmal krank oder müssen zu einer Familienfeier. Die Lehrer sind dann hilflos, weil sie nicht wissen, was sie machen sollen.
Yasemin ist traurig, dass sie soviel Schönes verpasst. Die Mädchen frisieren sich dann oft gegenseitig, und sie würde doch so gern einen französischen Zopf an sich ausprobieren! Außerdem reden die da über Pärchen an der Schule. Aber Yasemin will nicht nur darüber reden, sie würde auch gern einen Freund haben – egal ob deutsch oder türkisch. Sie ist eben ein ganz normales Mädchen. |