Pressemitteilung vom 20. Mai 2011
Peri e. V. gedenkt der ermordeten Morsal Obeidi und begrüßt das Urteil im Fall Arzu Özmen
Am 16. Mai 2012 wurde das Urteil im Fall Arzu Özmen gesprochen. Einen Tag vorher jährte sich die Ermordung von Morsal Obeidi zum vierten Mal. Beide Ereignisse stehen in einem engen thematischen Zusammenhang.
Morsal Obeidi wurde nur sechzehn Jahre alt. Die Muslima afghanischer Herkunft wurde von ihrem eigenen Bruder Ahmad in Hamburg im Jahre 2008 getötet. Arzu Özmen wurde im Alter von achtzehn Jahren ermordet. Der jesidischen Kurdin wurde es zum Verhängnis, sich in den falschen Mann verliebt zu haben. Am 16. März 20012 verhängte das Gericht hohe Haftstrafen gegen fünf Geschwister von Arzu Özmen, darunter einmal lebenslänglich für den mutmaßlichen Haupttäter.
In jesidisch geprägten Internetforen wird derweil die ermordete Arzu Özmen mit übelstem Vokabular beschimpft und im Sinne einer klassischen Täter-Opfer-Umkehr als Schuldige für die „Zerstörung“ der Familie Özmen ausgemacht. In einigen Fällen erfüllt auch die „verdorbene“ deutsche Gesellschaft eine Sündenbockfunktion. All dies weist ebenfalls eine deutliche Parallele zum Fall Morsal Obeidi auf, wo afghanische Jugendliche sich im Internet mit dem Täter solidarisierten und Angehörige nach der Urteilsverkündung „den Deutschen“ die Schuld für die Tat zuwiesen.
Hier wird ersichtlich, dass das Gerichtsurteil gegen die Geschwister Özmen, so wichtig es auch ist, letztlich nur als ein Umgang mit den Symptomen archaischer Machstrukturen gesehen werden darf und dass eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit menschenfeindlichen und antimodernen Einstellungen in bestimmten Migrantenmilieus dringend erforderlich ist. Denn selbst unter jenen, die den Mord an Arzu Özmen nicht gutheißen, sind immer noch viel zu viele, die die Ursache des Problems darin sehen, dass Arzu sich nicht „an die Regeln“ gehalten hätte. An dieser Stelle wird überdeutlich, dass eine breit angelegte Aufklärungskampagne und eine konsequente Vermittlung ethischer Werte das Gebot der Stunde sind. Betroffene Migranten-Communitys müssen also dieselben Prozesse durchlaufen, die die deutsche Mehrheitsgellschaft in ihrer Entwicklung zu einer modernen, offenen Gesellschaft hin ebenfalls durchlaufen ist, und müssen im übertragenen Sinne daher eine Art „68“ (sexuell-emanzipatorisch) bzw. eine Art „Entnazifizierung“ (weltanschaulich) erfahren.
Serap Cileli, Vorsitzende von Peri e. V., fordert daher: „Morsal Obeidi und Arzu Özmen stehen für unzählige Mädchen und Frauen, die unter Gewalt im Namen der Ehre jahrelang leiden. Doch das Lebensrecht der Frauen ist und bleibt unantastbar, deshalb fordere ich nachdrücklich: Lebenslänglich bei ‚Ehrenmord’! Keine kulturelle Toleranz bei Gewalt und Willkür! Die Verbesserung des Opferschutzes und Verstärkung der Präventionsarbeit. Erhalt und die Schaffung von spezialisierten Beratungs- und Schutzeinrichtungen. Und ich plädiere auch für eine realistische Integrationspolitik in Deutschland. Als Folge dieser Integrationspolitik, die ausschließlich der Bund zu verantworten hat, gehören Ehrenmorde heute zu unserem Alltag. Die betriebene Integrationspolitik, die nur aus Schönrederei besteht, stellt sich nämlich gegen die Integration der Einwanderer in die Gesellschaft. Denn Familie Özmen, die als wünschenswertes Musterbeispiel für Integration dargestellt wird, hat uns erneut die Integrationslüge vor Augen geführt - Multikulti ist gescheitert!“
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