Terre des Femmes verrennt sich beim Thema "Kritisches Weißsein"
von Thomas Baader
Die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes hat sich leider in der jüngeren Vergangenheit dazu herabgelassen, das Thema "kritisches Weißsein" mit dem Thema Genitalverstümmelung zu verknüpfen. Wie hängen diese beiden Themen eigentlich überhaupt miteinander zusammen? Kurz gesagt: gar nicht. Beim letztgenannten sehen wir ein wichtiges Anliegen, um eine schwere Menschenrechtsverletzung zu bekämpfen, das erstgenannte ist schlichtweg PC-Humbug.
TDF propagiert nun eine "Auseinandersetzung mit Kritischem Weißsein sowie eine Schulung für alle Interessierten" (http://frauenrechte.de/online/index.php/themen/tdf-positionen/ag-genitalverstuemmelung/956-stellungnahme-der-ag-genitalverstuemmelung-zum-thema-kritisches-weisssein-rassismus-bei-tdf.html). Verkürzt gesprochen, geht es bei den "Critical Whiteness Studies", einer von Anfang an umstrittenen Forschungsrichtung, um die Selbstreflexion von Weißen, wodurch "weiße" Machstrukturen und Perspektiven problematisiert werden sollen.
Es ist schwer verständlich, warum gerade klar antirassistisch positionierte Gruppierungen und Einzelpersonen häufig geradezu versessen darauf sind, das Merkmal "Rasse" (die Anführungszeichen sind bewusst gewählt) als bedeutenden Faktor hervorzuheben. Man mag einwenden, dass bei TDF und anderswo ja gerade darauf verwiesen wird, dass Weißsein eben nicht als Rasse, sondern als Konstrukt, das Privilegien nach sich zieht, zu verstehen ist. Tatsächlich ändert dies jedoch wenig daran, wie das Konzept des "kritischen Weißseins" zu beurteilen ist.
"Kritisches Weißsein", ganz egal wie man es versteht und begründet, hebt Weiße gesondert hervor. Sie tragen dieser Vorstellung nach eine besondere Verantwortung und müssen "kritisch" sein. Denkt man dieses Konzept jedoch zu Ende, dann gleicht das Verhältnis zwischen Weißsein und Schwarzsein letztlich dem zwischen Erwachsensein und Kindsein: hier der Reife, Relektierende, sich mit seiner Identität Auseinandersetzende; dort der Nachsicht Verdienende und Aufmunterung Benötigende. Anders gesagt: Wie weiß muss man eigentlich sein, um (selbst-)kritisch sein zu dürfen?
"Kritisches Weißsein" ist also dazu angetan - solange äquivalente Konzepte auf der Gegenseite fehlen -, "den anderen" herabzuwürdigen, weil er nicht für voll genommen werden kann. In diesem Sinne ist eine deutliche Ähnlichkeit zu kulturrelativistischen Positionen verschiedener Art vorhanden, welche ja gerade einer Organisation wie TDF ein Dorn im Auge sein sollten, da sie häufig als Legitimierung für die Ungleichbehandlung von Mann und Frau herangezogen werden. Auch der Kulturrelativismus geht vom selbstreflektierenden, Verantwortung für sein Handeln tragenden westlichen Menschen auf der einen und dem als edlen Wilden wahrgenommen nicht-westlichen Menschen auf der anderen Seite aus, der aufgrund seiner angeblichen kulturellen Verfasstheit eben kein Unrecht in der Diskriminierung von Frauen sehen kann.
Das Ganze ist umso ärgerlicher, als dass TDF eine Organisation mit großen Verdiensten und unterstützenswerten Zielen ist, viel zu wichtig also, um sich in den Niederungen des "Rassismus der Antirassisten" (siehe hierzu den hervorragenden Artikel von Pascal Bruckner http://www.perlentaucher.de/artikel/3594.html) zu verirren.
Ein Ratschlag an alle, die sich als Menschenrechtsaktivisten engagieren: Lassen Sie die Finger vom "kritischen Weißsein". Kritisches Menschsein reicht völlig aus.
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