DIE MENSCHENRECHTSFUNDAMENTALISTEN
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Ein prüfender Blick auf die Vorhaut

Ein prüfender Blick auf die Vorhaut
von Thomas Baader

Man kann mit den falschen Argumenten für die richtige Sache kämpfen und mit richtigen Argumenten ein falsches Ziel verfolgen. Bei der Debatte um ein Beschneidungsverbot in Deutschland gibt es sowohl das eine als auch das andere.

Im Kern hat das Gericht recht: Jedes Mal, wenn ein Arzt einen Eingriff vornimmt, handelt es sich um Körperverletzung. Gerechtfertigt kann eine solche nur werden mit der Einwilligung des Betroffenen - oder im Falle von Minderjährigen mit der Einwilligung der Erziehungsberechtigten, wobei der Aspekt der medizinischen Notwendigkeit eine besondere Rolle spielt.

Somit ist jeder Eingriff, der medizinisch nicht notwendig ist und allein aus religiösen Gründen vorgenommen wird, potenziell erst einmal fragwürdig. Während man einem erwachsenen Menschen noch zugestehen kann, selbstständig und frei darüber zu entscheiden, welche unnötigen operativen Eingriffe er über sich ergehen lassen möchte, sieht die Sache bei Minderjährigen etwas anders aus. Salopp gesprochen: Ein jeder erwachsener Mensch sollte das Recht haben, sich zu "verstümmeln", wenn er das unbedingt möchte, aber hat er auch das Recht, seine Kinder "verstümmeln" zu lassen?

Dieser Gedankengang wirft jedoch die Frage auf, ob es sich denn um eine Verstümmelung überhaupt handelt, oder um eine Bagatelle wie Haare- und Fingernägelschneiden. Oder ob (und das scheint die Wahrheit zu sein) die Beschneidung der Vorhaut irgendwo zwischen diesen beiden Extremen liegt. Mit der Genitalverstümmelung von Mädchen etwa ist die Vorhautbeschneidung von Jungen in keiner Weise zu vergleichen.

Kommen wir jetzt zu den falschen Argumenten: Wenn Vertreter religiöser Gemeinschaften eine Argumentation vertreten im Sinne von "Das ist eine Jahrtausende alte Tradition, und jetzt kommt der junge deutsche Staat daher und will sie einfach so verbieten!", dann erweisen sie ihrer Sache einen Bärendienst. Es ist völlig unerheblich, ob eine Tradition Jahrtausende alt ist, und auch wenn sie religiöser Natur ist, muss stets ein angemessener Abwägungsprozess stattfinden. Das Recht eines Säuglings auf körperliche Unversehrtheit und die Unfähigkeit des Säugling, einen eigenen Willen in dieser Hinsicht überhaupt artikulieren zu können, müssen entsprechend berücktsichtigt werden. Wer das übersieht und die "Jahrtausende alte religiöse Tradition" in dieser Form verabsolutiert sehen möchte, hat wesentliche Aspekte des Grundgesetzes nicht verstanden. Das Recht auf Religionsfreiheit ist beileibe nicht das einzige Recht, das aus der Verfassungs abgeleitet werden kann.

In diesem Sinne ist auch die Solidarität der christlichen Kirchen mit den betroffenen muslimischen und jüdischen Verbänden mit Vorsicht zu genießen: Geht es hier den Kirchenvertretern wirklich um Gerechtigkeit in der Sache oder darum, in einer religiösen Frage einen Sieg über den säkularen Staat zu erringen, was dann in einer anderen Angelegenheit später auch wieder dem Christentum zugute kommen könnte?

Bedenkenswert scheint auch der Einwand, dass Deutschland in der Tat das einzige westliche Land wäre, das die Beschneidung unter Strafe stellen würden. Zwar ist es nicht zwangsläufig so, dass in einer solchen Frage automatisch alle anderen recht und wir unrecht haben müssen (auch das Gegenteil wäre Unsinn), aber oftmals leiden deutsche Debatten daran, dass der prüfende Blick ins Ausland völlig unterbleibt: Welche Lösungen haben andere Staaten, die vor denselben "Problemen" stehen wie wir? Oder anders: Warum halten wir eine bestimmte Regelung für notwendig, die offenbar niemand sonst in Europa braucht?

Es ist daher verständlich, dass die betroffenen Religionsgemeinschaften durch das Urteil, gelinde gesagt, irritiert sind. Allerdings schießen polemische Formulierungen, wonach Islam oder Judentum von nun an in Deutschland unter Strafe stünden, deutlich über das Ziel hinaus. Als abwegig und inhaltlich misslungen muss auch die Behauptung betrachtet werden, es ginge dem Staat keineswegs um den Schutz von Kindern, sondern Kinderrechte würden lediglich vorgeschoben, um eine Legitimation für die Diskriminierung von Minderheiten zu finden. Eine solche Art der Argumentation erinnert fatal an die - ebenso falsche - Behauptung, den Gegnern von Zwangsheirat und Ehrenmord ginge es gar nicht um Frauenrechte, sondern nur um schlecht kaschierte Islamfeindlichkeit (und auch hier fehlt oft nicht der Verweis auf die Geschichte - so habe man schon im Kolonialismus mit der Wahrung von Frauenrechten argumentiert). Auch bei einem Urteil, das am Ende als falsch bewertet werden müsste, darf man den Richtern schon Wahrhaftigkeit unterstellen.

Ist der Streit um Vorhautbeschneidung in einem Zeitalter durchstochener Teenagerohren und -bauchnabel überflüssig oder gar heuchlerisch? Nicht unbedingt, wenn er wenigstens dazu geeignet ist, dass wir uns darüber klar werden, welche Maßstäbe in diesem Land gelten sollen und welche nicht.

Der Autor dieses Artikels hat keine Vorhaut.

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ramendaw
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Maria
26.07.2012 09:10:08
... ich meinte Weltanschauung
... sorry, ich meinte statt "Wertesystem" die jeweilige Weltanschauung. Die auf Menschenrechten basierende Wertordnung, wie sie u.a. in unserer Verfassung zum Ausdruck kommt, ist natürlich nicht antastbar.
Maria
26.07.2012 09:03:47
Hervorragend
Es ist wirklich erfrischend, endlich einmal einen derart guten Kommentar zu der Angelegenheit zu lesen!

@Max: man muss auch die Überzeugungen anderer achten. Wer das eigene Wertesystem für überlegen hält, und sei es der Atheismus, bewegt sich auf dem selben Eis wie diejenigen, die er kritisiert. An der Kollision von Religion und Rechtsstaat ändert das natürlich nichts. Diese zwei Bereiche muss man m.E. gedanklich sehr scharf trennen. Gilt für alle Beteiligten.
dentix07
10.07.2012 15:25:49
einziges westliches Land
Übrigens stimmt die Behauptung D wäre dann das einzige westliche Land das die frühkindliche Beschneidung unter Strafe stellt nicht! Außer wir rechnen Süd-Afrika nicht zum Westen, dort ist die Beschneidung unter 16jähriger seit 2005 verboten! Und bei Älteren darf sie nur von qualifiziertem Personal durchgeführt werden! (Circumcision Act) Zu anderem gibt es interessante Informationen bezüglich Jungenbeschneidung auf http://wikimannia.org/Genitalverst%C3%BCmmelung
Brigitta
10.07.2012 12:52:08
Max
"schlimm ist der Eingriff wirklich nicht" - also ich weiß nicht! mal Lesen: http://www.zeit.de/2012/28/Martenstein?commentstart=305#comments die Kommentare 311 und 312. Auch bei etwas älteren Kindern geht's nicht schmerzfrei ab; habe ich vor Jahren erlebt, als ein Freund meines Sohnes am Tag nach seiner Beschneidung bei uns war - der wackelte ganz schön auf seinen kurzen vierjährigen Beinchen bei uns rum und verzog das Gesicht doch recht häufig, insbesondere wenn es auf die Toilette ging.
Ansonsten: rein rechtlich ist gegen diesees Urteil überhaupt nichts einzuwenden: dass jeder chirurgische Eingriff eine Körperverletzung ist, dürfte inzwischen bekannt sein. Dass seitens der üblichen Verdächtigen versucht wird, eine Rechtfertigung über eine angebliche "Religionsfreiheit" herbeizureden und das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit zurückzustellen, kollidiert m.E. mit unserer Rechtsordnung. Es wurde Zeit, dass ein Gericht sich mal deutlich auf die Seite der Kinder gestellt hat.
zu RichardT: meines Wissens ist die Beschneidung nur im Judentum Pflicht und hat dort bis zum 8. Tag zu erfolgen; im Islam gibt es eine derartige Pflicht nicht; sie wird lediglich aus einer (m.E. verquasten) Tradition heraus für notwendig gehalten.
Und das Ganze hat mit Piercing von Teenagern natürlich überhaupt nichts zu tun! Wer alt genug ist um sich selbst zu verstümmeln, kann dies ja gern tun; die betroffenen Kinder werden jedoch nicht gefragt. Sie baden die Religionsfreiheit ihrer Eltern aus.
RichardT
09.07.2012 07:48:29
Guter Kommentar
Der beste Kommentar zum Thema den ich gelesen habe.
Als Katholik bin ich mit Judentum und Islam nicht so bewandert und frage mich ob es nicht möglich wäre die Beschneidung bis zum 14. Geburtstag zu verschieben. Es muß doch nicht gleich die ewige Verdammnis drohen wenn es später stattfindet.
Max
08.07.2012 20:48:02
Hm
Schlimm ist der Eingriff wirklich nicht.

Aber trotzdem ist die Frage berechtigt: Wozu??? Letztlich ist es ein Aberglaube. Wobei es mir als Atheist völlig gleich ist, ob es ein christlicher, jüdischer oder muslimischer Aberglaube ist.
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